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Bela B liest Scharnow

Bela B02Verteilt Mische, rülpst und begeistert mit skurrilen Episoden aus seinem Debütroman das Erfurter Publikum

25.03.2019 [dg] Vor kurzem war ich auf einer Lesung. Der Autor betrat in Pyjama, Pantoffeln und Morgenrock die Bühne, stellte Korn und Fanta auf seinen Tisch und verteilte die Mische (ich schwöre, es waren im Verhältnis 80/20 Korn und Fanta) ans Publikum. Aus diesem abenteuerlichen Mix wurde ganz schnell Trinken gegen rechts. Was wesentlich erfolgreicher war als der klägliche Versuch des frischgebackenen Bestsellerautors, sein Publikum zu duzen. Er verfiel immer wieder ins Siezen, schalt sich dafür und auch sonst, war dieser Abend sehr unterhaltsam und kurzweilig. Wenn sein Verlagslektor im Manuskript dann auch noch „What the fuck!“ notierte, bevor es so in den Druck ging, dann kann es nur eines sein: ein Roman aus der Feder eines der besten Ärzte Deutschlands: Bela B Felsenheimer. Und eine ganz besondere Lesung, die da im Rahmen der Erfurter Frühlingslese stattfand.

„Wo hole ich das her? Ich bin erwachsen. Schon länger.“ – sinniert Bela B da oben auf der Bühne des HsD in Erfurt. Zum Glück nicht, möchte man sagen, denn dann wäre „Schwarnow“ wahrscheinlich nie zustande gekommen. In Scharnow, einem Dorf nördlich von Berlin, ist der Hund begraben. Vielleicht aber auch nicht. Denn hier wird gerade die Welt gewendet: Scharfschützen liegen im Gebüsch auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, ein mordlüsternes Buch richtet blutige Verheerung an (die Details werden uns im Buch erspart, in der Lesung geht Bela B wunderbar ins Detail) – und in all dem Chaos hat der selbsternannte Pakt der Glücklichen plötzlich kein Bier mehr und muss zu drastischen Mitteln greifen. Wenn sich dann ein syrischer Praktikant für ein Mangamädchen stark macht, flattern rosa Herzchen über die Seiten. Und bei all dem hat man das Gefühl, dass Robert Rodriguez oder Quentin Tarantino daraus wunderbaren Filmstoff machen könnten. Es ist die Geschichte, die man von Bela B erwartet, mit der man aber niemals gerechnet hätte.Bela B08

Ein paar Ausschnitte, Appetithappen, liest er an diesem Abend vor. Gleich zweimal. In Erfurt gibt es eine Doppellesung und das macht ihn sehr stolz, denn entweder wollen die Leute mehr über das Buch erfahren oder sind gerne mit ihm in einem Raum. Beides soll ihm recht sein. Das 18 Uhr Publikum aber ist ihm das liebste, die zur 21 Uhr Lesung kommen, mag er nicht so. Für uns – in der ersten Lesung – gibt es dann auch einen Rülpser, das bekommen die anderen nicht. Das Gleiche wird er seinem Publikum drei Stunden später erzählen. Wenn Rockstars lesen, dann darf man mit allem rechnen und bekommt es auch: Schimpfwörter, nackte Männer, Ernte 23, Splatter und die Gewissheit, dass dir immer noch etwas passieren kann, selbst dann, wenn du in seinem Buch eigentlich schon tot bist. Der persönliche Thomas Mann-Moment des jungen Felsenheimer ist im Ticketpreis ebenfalls enthalten: „Raus hier!“ rief Bratengabel und fuchtelte mit seiner Bratengabel. – der Satz wirkt auch im Publikum länger nach. Doch keine Angst, solche Momente hat der Roman noch mehr zu bieten. „Scharnow“ ist wild gewordene Popliteratur, die man lesen muss, weil man es will, denn besser unterhalten wird man dieser Tage nur durch den unfassbar irren Brexit-Plot, den Bela B vermutlich auch zu verantworten hat. Verrückt genug ist es ja.

„Bela B liest Scharnow“ war die beste literarische Verkaufsshow, die ich je besucht habe. Fünf Sterne! Gerne wieder!

Die wichtigste Erkenntnis aus dem Buch möchte ich euch aber noch mit auf den Weg geben: „Dreck wird erst dann gefährlich, wenn man Angst davor hat.“ Kauft das Buch!


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