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Coppelius auf Clubbühnenabstinenzankündigungstournee

Von Nymphen, energischen Geigern und niedergebrannten Grundfesten

07.10.2016 [ft] Als ich die Anfrage erhielt, einen Konzertbericht über Coppelius zu schreiben, dacht ich nur bei mir: „Coppelius, der Name sagt mir etwas, nur woher?“ Dann fiel es mir wieder ein. Ich gestehe, dies ist die Band während derer Konzerte ich auf Festivals gern abseits ein Bier trinken gehe. Nun stehe ich pünktlich um 20:00 Uhr im Musikzentrum, nicht um Bier zu trinken, sondern um Euch mit meinen Eindrücken zu füttern.

Coppelius befinden sich gerade auf ihrer Clubbühnenabstinenzankündigungstournee. Soso! Nach eigenen Angaben versuchen Coppelius nunmehr seit 213 Jahren „den guten Ton in die Konzertsäle zurückkehren zu lassen“. Weiterhin wird in einschlägigen Quellen davon berichtet, dass dies wohl völlig misslang und sie weniger mit lieblichen Kammertönen, sondern eher mit tosendem Inferno des Kammerchores sämtliche ihrer Wirkungsstätten bis auf die Grundmauern niederbrannten. Tosendes Inferno? Da werde ich doch hellhörig, dafür bin ich schließlich gerne mal zu haben. Unterstützung bekommen die Herren Coppelius hierbei durch Christian von Aster und die Jenaer Carpe Noctem.

Erst einmal kommt jedoch keine Musik, sondern Kunst. Also Kleinkunst, genauer gesagt Poesie, gepaart mit Komik in Form des lyrischen Herrn Christian von Aster. Mein erster Gedanke: Wer ist das? Was kann er? Wer er ist: ein sympathischer freundlicher Herr mit sonorer, bedächtiger und durchdringender Stimme. Was er kann: schreiben. Gut das können viele. Er schreibt komische Poesie, das können nicht viele. Und noch weniger schaffen dies mit Intellekt, Wortspielereien und kurzen, aber prägnanten Anspielungen auf aktuelle Weltgeschichte und Trends. Herr von Aster berichtet gar leichtfüßig und mit vor Liebreiz strotzender Wortwahl über „Feuer in den Lenden, welches man erhalte, wenn man Nymphen beim Bade betrachte“, „Mitternachtsraben“ und allerlei anderen, dem schwarzen Humor zuträglichen, Geschichten. Auch ein veganer und überreligiöser Blankoablass wurde dem Publikum zuteil. Die anwesende hannöversche Gothicszene liebt es. Künstlerische Pausen aufgrund kleiner technischer Probleme werden gekonnt genutzt, um mit den Publikum zu interagieren. Die zeitweise, wenn funktionierende, musikalische Untermalung erfolgt durch den frisch aus der Dusche entsprungenen und lässig im Bademantel daherkommenden Herrn Le Comte am Piano. Ich stelle fest, Gothics können auch lachen. Das wusste ich zwar schon lange. Dem Leser ist dies jedoch möglicherweise unbekannt.

Nun entern Carpe Noctem die Bühne. Für alle ohne mittelgroßes Latinum: Dies bedeutet „Nutze die Nacht“ und ist das Pendant zu dem allseits bekannten „Carpe Diem“. Plötzlich aus den Gedanken und meinen Notizen gerissen. Ohne großes Intro, Nebelschwaden, rote Raumbeleuchtung oder ähnlich so oft genutzter Stilmittel zur Stimmungsmache. Ich schaue auf und sehe: Der Celli zwei, eine Violine, ein E- Bass und ein Schlagzeug. An ihnen, wie angewachsen fünf junge und adrett gekleidete Burschen, dazu wehendes Haar und Kajal. Wer sind diese 5 Herren. Carpe Noctem begeistern seit 2009 mit ihrem Aufeinandertreffen von Classic, Rock und Metal auf einem musikalisch anspruchsvollen Niveau ihre Fans und erzeugen ein eigenes Klangbild. Sie selbst bezeichnen ihre Musik als String Metal. Musikalisch anspruchsvoll ist ihr Spiel jederzeit. Und so blutjung und „grün hinter den Ohren“ sie wirken, ist weder ihr musikalisches Können, noch ihre Bühnenpräsenz. Sie sind da, sie sind fokussiert und mit ihrer Darbietung begeistern sie das Publikum. Sie spielen Musik, mal zum Tanzen, mal zum vor sich hin wiegen und wegträumen. Beinahe als man den Gesang beginnen könnte zu vermissen, holen sie sich stimmliche Unterstützung, zuerst in Form von Butler Bastille und später durch Graf Lindorf, somit zweier Mitglieder der darauffolgenden Band Coppelius. So wird es auch nicht langweilig. Mein persönlicher Höhepunkt ist eine hervorragende Coverversion des Songs „Toxicity“ der Band System of a Down und ich denke, diese wären hocherfreut hierüber. Lange Rede und der Sinn dazu: Carpe Noctem liefern eine hervorragende Show.

Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es auch schon weiter. Coppelius kommen oder besser gesagt purzeln auf die Bühne und beginnen ihre Show, wie es das Publikum erwartet, mit Humor, Herz, viel Liebe zum Detail und den ihnen selbstzugeschriebenen Rollen. Bastille- der Butler, führt durch die Show. Eine Show, die zugleich auch ihre Clubbühnenabstinenzankündigungstournee ist. Von Müdigkeit oder Spielunlust ist von Beginn an jedoch nichts zu spüren. Die Herren sind Profis und routiniert, dass merkt man und merkt man eben gleichzeitig auch nicht. Dies macht den Könner aus. Ihre Musik, die sie selbst als Kammerchore bezeichnen, ist auf dem Punkt. Eine doch etwas skurrile Mischung aus dem Klang und Staub vergangener Zeiten, Steampunk und Heavy Metal, den sie freimütig covern und interpretieren. Die selbstaufgestellte Behauptung, dass die Bandmitglieder aus dem 19 Jhd. stammen, lebt und atmet jeder von ihnen – nicht zuletzt durch Kleidung, Accessoires und Attitüden. Sie sind eins mit ihren fiktiven Identitäten. Und vielleicht sind diese ein guter Schutz, aber auch der Grund dafür, weshalb die Band auch nach 14 Jahren Bühnenerfahrung noch immer so zur Begeisterung fähig ist. Sie kommen ganz ohne E- Bass oder Gitarren aus, dafür gibt es viel mehr von so wundervollen und heute in Klang- und Durchsetzungskraft verkannten Instrumenten, wie: Kontrabass, Cello und Klarinetten. Die Texte sind lyrisch, intelligent, poetisch und erinnern ebenso an vergangene Zeiten. Man wird entführt in eine Traumwelt. Ein Stilmix par excellence, der weder aufgesetzt noch gezwungen wirkt. Eins wird von Beginn an deutlich. Sie alle sind Multitalente und wechseln quasi spielerisch zwischen Gesang und verschiedenen Instrumenten. Das Publikum ist von Beginn an in Ekstase und einfach nur voller Freude. Freundschaftlich werden die Besucher begrüßt, schnell wird das Bier geteilt und alle im Raum mit einbezogen. Die Fans sind begeistert. Sie sind Text- und Handlungssicher und wissen was ihre Idole während einzelner ihrer Songs von ihnen verlangen. Iron Maiden und Motörhead-Cover wechseln sich mit leiseren Tönen der Lieder wie „Butterblume“ ab. Jedoch steht der Abend hauptsächlich im Zeichen des Rock’n’Roll, verkörpert in ihrer ganz eigenen Interpretation. Das Publikum feiert und tobt, wie ich es schon lange nicht mehr in Hannover erlebt habe. Der Raum ist erfüllt von guter Musik, Freude und Euphorie. Am Ende gibt es quasi stehende und zum Schluss auch sitzende Ovationen. Es wird nach Da Capo, also Zugaben verlangt. Das in der Konzertankündigung versprochene Inferno zünden die fünf Berliner gemeinsam mit ihren Fans. Trotz des fortgeschrittenen Abends, es ist mittlerweile nach 23:00 Uhr, hat das Publikum einfach noch nicht genug.

Coppelius wollen sich würdig, krachend, rasend und einzigartig von den Clubbühnen verabschieden. Das haben sie definitiv getan. Auf dem Heimweg denke ich so bei mir, sollten mir die Herren doch bei dem ein oder anderen musikalischem Event noch einmal vor die Füße laufen, trinke ich vielleicht dann das Bier mit ihnen gemeinsam. Sie auf und ich vor der Bühne.

In diesem Sinne wünsche ich für heute „Carpe Noctem“ und gute Nacht.
Eure Florentine Thiér

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