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Erfurter Herbstlese 2010

Herbstlese 2010: Nazan EckesRTL-Moderatorin Nazan Eckes feierte Buchpremiere und erste Lesung

18.10.2010 [nm] Spätestens seit dem Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab – Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ wird über das Thema Integration nicht nur im Bundestag lautstark debattiert und in den Medien heftig diskutiert und höchstwahrscheinlich kommt dies auch in vielen deutschen und türkischen Familien zur Sprache. An diesem Abend in Erfurt sollte die Integrationsdebatte nicht mehr nur öffentlich von Politikern und Medienmachern oder im stillen Kämmerlein geführt werden. Nun stapfte eine sympathische junge Frau im mollig-warmen Strickkleid auf die Herbstlese-Bühne, die nahezu 300 Zuhörer auf eine greifbare, lebendige und authentische Lesereise in die eigene und fremde Kultur entführen und damit zum Nachdenken anregen wollte. Ihr Buch „Guten Morgen Abendland – Almanya und Türkei – eine Familiengeschichte“ fest unter den Arm geklemmt, schritt die bekannte RTL-Moderatorin Nazan Eckes, die viele von Explosiv-Weekend kennen, auf das Podium zu und sagte „Ich bin selbst ein Teil der Medien und möchte umso lauter sagen, was ich über diese intensiv und emotional geführte Diskussion denke, weil mich gerade jetzt die Geschichte meiner Familie einholt.“

Die deutsch-türkische Autorin, die ihr Erstlingswerk in den Händen hielt, wollte ihr Privatleben „lange Zeit ganz bewusst aus der öffentlichen Diskussion heraushalten“ und nur als Moderatorin und mit ihrer Arbeit wahrgenommen werden. Bis sie feststellte, dass „Schauspieler, Moderatoren und Regisseure Schlüsselfiguren sind.“ So ist es, wie sie selbst zugibt, Zufall, dass ihr Buch in die aktuelle Debatte passt. Schließlich „habe ich schon vor gut anderthalb Jahren begonnen meine Familiengeschichte näher zu erforschen“ und Episoden niederzuschreiben. „Als Sarrazins Buch herauskam, war meines gerade im Druck.“

Nazan Eckes wurde als Kind türkischer Einwanderer in Köln geboren. Ihr Vater war damals als Gastarbeiter eingereist. Damit gehört die 34-jährige Moderatorin, zur ersten Generation, die in Deutschland – etwa im Kindergarten oder in der Schule – die ersten Berührungen mit einer Kultur machte, die so anders war als das, was im Elternhaus oder im nach außen abgeschotteten Freundeskreis Gang und Gebe war. Dem Publikum, in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula des Ratsgymnasiums, gewährte Nazan Eckes durch locker vorgetragene Buchpassagen mit gekonnt eingeflochtenen Überleitungen Einblick in ihre Kindheit zwischen türkischen Wurzeln und deutscher Heimat. So war zu hören, wie es die sechsjährige Nazan nicht fassen konnte, als sie ihre Mutter sagen hörte „Kizim, meine Tochter, den Nikolaus gibt es nicht“, während alle anderen Kinder in der Schule von prall gefüllten Stiefeln erzählten. Nur bei ihr wollte der weißbärtige Geselle des Nachts merkwürdigerweise nicht auftauchen, um die eilig nach draußen gestellten Schuhe zu füllen. An diesem Abend war auch zu erfahren, dass es ihre deutschen Freundinnen liebten, das Mittagessen im Kreis der lebhaften türkischen Familie zu verbringen und die exotischen Speisen zu probieren. Heute, das merkt man auch an ihrer selbstbewussten Art, ist Nazan Eckes stolz darauf, in zwei Kulturen groß geworden zu sein. So betonte sie in der Lesung und schreibt schon im Vorwort „Mein Herz schlägt türkisch – mein Herz schlägt deutsch.“ Dabei wollten ihre Eltern, die als Rentner mittlerweile „sechs Monate in Deutschland und sechs Monate in der Türkei“ verbringen, nur ein paar Jahre in der Fremde bleiben, wie so viele türkische Gastarbeiter in den 60er Jahren. Die bekannte Fernsehmoderatorin erzählte ihre ganz persönliche Geschichte. Es ist die Geschichte einer Frau, die trotz Integrationsschwierigkeiten und kulturellen Unterschieden längst eine zweite Heimat gefunden hat.

Mit ihrer Buchpremiere könnte es der Mittdreißigerin gelingen, uns Deutschen den Blick in eine türkische Familie zu öffnen, um die fremde Kultur und Religion kennen zu lernen. Denn sie sagte: „Ihr müsst die Stärken erkennen – nicht die Schwächen!“ Gleichzeitig ist dieses 235-seitige Werk wohl auch ein Appell an ihre eigenen Landsleute etwas aus ihrem Leben zu machen. Mit hoch erhobenem Kopf und offenem Blick in den Saal sagt sie: „Öffnet euch! Fühlt euch hier wohl! Lernt die Sprache!“ Ihren eigenen Lebensweg, das gestand sie auf Fragen aus dem Publikum auch ein, konnte sie nämlich nur gehen, weil ihre Familie und ganz besonders ihr Vater immer „sehr liberal und offen“ waren und das Lernen der deutschen Sprache und damit auch der deutschen Kultur ermöglichten. Nur so konnten sich sowohl Nazan, als auch und ihre jüngere Schwester Belgin und ihrem Bruder Cüneyt ganz „ohne Zwang“ entwickeln. Eckes räumte aber auch ein: „Auch der eigene Wille muss da sein.“ Nach gut anderthalb Stunden übernahm Herbstlese-Veranstalter Michael John das Wort. Unter staunenden Blicken und einigen Ah´s und Oh´s im Publikum verkündete er, dass Frau Eckes heute Abend in Erfurt nicht nur ihre Buchpremiere gefeiert, sondern auch ihre erste Lesung überhaupt abgehalten hat. Mit dem Schlusswort „Ich glaube, ich bedanke mich bei Ihnen“ und einem Lächeln im Gesicht verließ die Autorin die Bühne. Vielen ist auch heute noch folgende Botschaft dieser, wie sie selbst von sich behauptet, optimistischen Frau im Ohr: „Es lebe die Vielfalt.“

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