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In Extremo – „dieselben dämlichen Typen wie vorher“

In Extremo Interview (3)Das Letzte Einhorn im Interview

12.03.2010 [db] Eine rundum sympathische Truppe sind sie. Nach einer Führung durch das herrlich nostalgische Kulturhaus in Gotha, setzen wir uns mit Bandleader Micha in das Theatercafe und reden entspannt, bevor es dann am Abend im Saal akustisch weiter geht. Tranquilo. Bodenständig. Mensch geblieben. Frei Schnauze.

Doreen ([a]live): Wie fühlt es sich an – 15 Jahre In Extremo?

Micha (In Extremo): Das kann ich dir gar nicht sagen. Die Zeit ist schnell vergangen, denkt man gar nicht. Was wir in den 15 Jahren erlebt haben, das könnte ich dir jetzt gar nicht aufzählen. Das ist einfach total viel.

Doreen: Wie stark habt ihr euch in den 15 Jahren verändert?

Micha (In Extremo): Kann ich dir genau sagen – eigentlich überhaupt nicht. Entweder hat man ein paar Falten mehr gekriegt, oder der oder andere ist ein bisschen dicker geworden. Ansonsten sind es dieselben dämlichen Typen wie vorher. Kann ich dir versichern.

Doreen: Ihr seid euch treu geblieben?

Micha (In Extremo): Ja.

Doreen: Was ist heute anders als zu Beginn von In Extremo?

Micha (In Extremo): Allein die ganze Logistik für die Shows. Da fahren mittlerweile 50-Tonner und zwei Nightliner rum. Das ist reinste Logistik, man muss planen. Es arbeiten jetzt zwei Mann tagtäglich im Büro nur für die 15-Jahre-Veranstaltung. Von der Klodeckel-Genehmigung bis zum Getränkelieferanten.

Doreen: Vermisst ihr dann manchmal die Anfangszeit, wo es einfacher war?

Micha (In Extremo): Wir haben natürlich ein paar Leute, die das für uns machen. Wir beschäftigen die, das müssen dann aber auch Vertrauenspersonen sein. Wir brauchen ja auch einen freien Kopf. Wenn du dich damit noch den ganzen Tag beschäftigen musst, wirst du irre. In der Beziehung ist es leichter geworden. Früher mussten wir wirklich alles selber machen. Aber wir haben trotzdem die Kontrolle über alles.

Doreen: Kannst du uns ein paar Höhepunkte nennen, die ihr in eurer Karriere durchlaufen habt?

Micha (In Extremo): Oh, abends im Liner könnte ich dir stundenlang Geschichten erzählen. Höhepunkte, hm, da gab es so viel. Die ganzen Festivals, die wir gespielt haben – das meiste war vor 110.000 Leuten. Das ist Wahnsinn. Da gehst du auf die Bühne und siehst nur noch Köpfe. Oder Mexiko, Russland, Chile oder Amiland – wir waren auf der ganzen Welt. Das waren Länder, wo ich gerne mal in Urlaub hingefahren wäre und plötzlich stehst du da mit der Band und spielst. Argentinien. Hammer! Wo kommst du hin? China. Ostblock. Wir fahren fast in allen Ländern. Es ist verrückt. Du kommst da hin und die singen deine Lieder mit. Auch in Deutsch, komplett. Wahnsinn.

Doreen: Wann habt ihr eigentlich gemerkt, dass In Extremo ein Selbstläufer sein könnte? Die Fanbase wird immer  größer. Wo war der Punkt?

Micha (In Extremo): Das ging eigentlich vom ersten Konzert an los. Das ist immer stetig gewachsen. Du arbeitest dafür ja auch richtig. Du kannst das nicht so sehen: „Wann ist das losgegangen?“. Wenn du aus dem Proberaum raus möchtest mit einer Band und spielen willst, dann möchtest du so viele Zuschauer wie möglich. Das ist dasselbe wie beim Journalisten. Wenn du etwas schreibst, dann möchtest du, dass das so viele lesen wie möglich. Das ist der Grund. Und wenn da welche im Proberaum bleiben und sagen: „Ach Mainstream, wir wollen damit nichts zu tun haben“ – die lügen einfach und können sich selber ficken. Ich sag nur wie es ist. Es ist eine eigene Lüge.

Doreen: Ist klar, mit dem was ihr macht, wollt ihr auch irgendwann Geld verdienen.

Micha (In Extremo): Ja natürlich, na klar. Das ist ein 24 Stunden Job und das sieben Tage die Woche. Das sieht keiner.

Doreen: Aber kam für euch jemals ein normaler Bürojob in Frage?

Micha (In Extremo): Ich glaube, wenn ich in einem Betrieb arbeiten müsste mit Stempeluhr… ich glaube, nach vier Wochen würde ich den Chef erschlagen. Gerade diese Unterordnung ist nicht machbar. Klar hab ich meinem Leben auch schon Jobs gemacht. Ich hab Zeitungen ausgetragen, ich hab die Straße gefegt, ich hab alles schon gemacht. Aber das ist im Moment unvorstellbar. Kann ich dir sagen, ja.

Doreen: Es war immer die Musik.

Micha (In Extremo): Ich habe schon immer von Musik gelebt – mal recht, mal schlecht. Da steht ein guter Spruch [auf einer Wand im Theatercafe, Anm.d.Red.]: „Die Kunst ist zwar nicht das Brot, aber der Wein des Lebens.“ Ein sehr geiler, weiser Spruch.

Doreen: Gibt es Dinge, die ihr im Nachhinein anders gemacht hättet? Oder gilt immer der Blick nach vorn?

Micha (In Extremo): Der Blick nach vorn sowieso. Was du anders machen würdest, da könnte man hunderte Sachen aufzählen. Die sind auch sehr intern. Ich mein, wir haben ein Management gehabt, die uns um eine halbe Million Euro betrogen haben. Das haben wir alles durch. Wir haben damals noch mal von vorne angefangen. Das wusste keiner von der Außenwelt. Wir standen kurz vor der Auflösung 2003. Wir sind mit einem Sack Schulden in die Tour reingefahren. Wenn es den Namen „Fotze“ nicht gäbe, da hätte ich ihn erfunden. Aber man läuft sich immer zweimal über den Weg. Wir haben immer weiter nach vorne geguckt und das ist der Grund, warum es immer weiter geht. Das ist das Wichtige. Es abzuhaken. Sich mal mit einem Satz drüber ärgern, aber dann ist auch wieder okay.

In Extremo Interview (2)Doreen: Was können die Fans erwarten, wenn ihr euer Jubiläum im Juli auf dem Petersberg in Erfurt feiert?

Micha (In Extremo): Hm, also was man sagen kann: Es werden ein paar Gäste mit dabei sein. Was, wer und wie – das sind noch ungelegte Eier. Es wird ein Mittelaltermarkt mit stattfinden, den wir selber unter Kontrolle haben. Es wird ein Gaukler mit da sein und so weiter und so fort – auf einem separaten Platz oben. Was machen wir noch? Die Clubs werden offen sein abends, wo man mit den Tickets hin kann. Das ist schon ein Event. Wir selber versuchen zwei verschiedene Abende zu gestalten. Wir versuchen nicht dasselbe Set zu spielen. Klar, wird sich das eine oder andere Lied wiederholen. Den einen Abend werden wir ein bisschen ältere Sachen spielen und den anderen Abend ganz normal. Was sonst noch passiert, sind eben noch ungelegte Eier. Aber es wird auf alle Fälle ein schöner Event.

Doreen: Und warum gerade Erfurt?

Micha (In Extremo): Erfurt ist in der Mitte von Deutschland – muss man so sagen. Mit Thüringen hat uns zu DDR-Zeiten schon viel verbunden. Ich bin auch hier geboren, aber das hat mit Patriotismus nichts zu tun. Aber mit den Veranstaltern Appel & Rompf, die uns von Beginn an hier in der Region begleiten, sind wir immer sehr gut klar gekommen. Und das hat auch einen Grund. Das muss man mal so sagen. Und Erfurt ist eben wirklich die Mitte Deutschlands – du kannst von allen Seiten her kommen. Was willst du da unten im Süden? Hier kannst du es jedem recht machen. Und über dem Dom zu spielen, das ist einfach eine gute Kulisse.

Doreen: Das ist ja dann auch fast ein Krämerbrückenfest mit eurem Mittelaltermarkt.

Micha (In Extremo): Du, da bin ich früher schon immer auf- und abgegangen. Ich hab die Schule geschwänzt und bin hingegangen. Das ist schon eine geile Ecke. Und Erfurt ist eine wunderbare Stadt geworden im Laufe der Jahre. Es macht Spaß da rumzuhängen abends in irgendwelchen Kneipen. Es lebt einfach.

Doreen: Habt ihr eine CD oder eine DVD fürs Jubiläum geplant?

Micha (In Extremo): Eigentlich nicht. Wir haben genug Livematerial draußen, so weit haben wir jetzt gar nicht gedacht. Spontan würde ich jetzt einfach mal sagen: „Nein.“

Doreen: Also wird es kein „Best of In Extremo“ geben?

Micha (In Extremo): Nein.

Doreen: Was kommt danach?

Micha (In Extremo): Danach? Wir machen ja dieses Jahr nur zwei, drei Festivals. Mehr nicht. Und dieses Erfurt-Ding. Wenn die Akustiktour vorbei ist, hat es sich dann erst mal ausakustikt. Und wir fangen im Frühjahr an Songs zu schreiben. Wenn alles fertig ist, kommt nächstes Jahr eine Platte raus. Ich hoffe noch im Frühjahr, wenn nicht, dann später. Wir lassen uns Zeit. Ich will jetzt kein Datum festlegen.

Doreen: Ihr habt ja im vergangenen Jahr schon Akustik-Konzerte gespielt. Wie ist der Eindruck. Ist das ein anderes Konzertfeeling?

Micha (In Extremo): Total anders. Mir macht das so einen Spaß. Ich kann dir ganz ehrlich sagen, ich könnte das immer machen. Ich hab da so einen Spaß dran, ich könnte damit jetzt zwei Jahre auf Tour gehen in alle Herrgottsländer. Ich hab da richtig Spaß dran.

Doreen: Sind die Konzerte alle bestuhlt?

Micha (In Extremo): Ja.

Doreen: Aber da hat man doch nicht die Liveenergie, die man sonst hat?

Micha (In Extremo): Guck es dir an. Wir haben auch die Songs umgeschrieben. Es gibt Bands, die covern ihre Stücke akustisch eins zu eins. Das finde ich ein Armutszeugnis. Da sollte man sich schon einen Kopf machen. Ich singe auch stellenweise ganz anders.

Wir haben hingehört. Wir haben zugeschaut. Wir waren begeistert. Hier geht es zum Konzertbericht.

„WAHRE JAHRE – 15 Jahre In Extremo“
Das große Jubiläumsfestival am 24. und 25. Juli 2010 in Erfurt:

Wir verlosen, wenn die Zeit reif ist zehn handsignierte Plakate von In Extremo und mehrfach eine absolute CD-Rarität von 1997, die es so nicht zu kaufen gibt. Haltet die Augen offen, bald geht das In Extremo – Wahre Jahre – Gewinnspiel hier los!


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