Roland Kaiser auf Arena-Tournee in Erfurt
Kaisermania, Santa Maria und eine ausverkaufte Messehalle
01.03.2019 [dg] Schlager ist ein Phänomen. Keiner hört ihn, alle kennen die Texte und die Konzerte sind durchweg gut besucht bis ausverkauft. Als ich mich für das Roland Kaiser-Konzert in Erfurt angemeldet habe, waren die Reaktionen durchaus gemischt. Einige trauerten meiner verlorenen Seele nach, andere fragte, was bei mir kaputt sei und wenige fanden es gut. Aber hey! Die Texte könnt ihr alle! Über 90 Millionen verkaufte Platten und 43 Jahre im Musikgeschäft belegen, dass er – der Kaiser – viele offene und heimliche Fans hat. Und wer sich am lautesten empört, hört es am Ende ja doch. Ha!
Am 15. März erscheint sein neues Album „Alles oder dich“, gefolgt von einem besonderen Fernsehabend in der ARD (16.März 2019, ab 20.15 Uhr): „Alle singen Kaiser – das große Schlagerfest“, moderiert von Florian Silbereisen. Dort werden unter anderem Andrea Berg, Oli. P, Voxxclub, Annett Louisan, DJ Ötzi, Kathy Kelly, Semino Rossi, Sarah Lombardi, Michelle, Ross Antony, Bonnie Tyler und Ben Zucker die großen Kaiser-Hits der letzten vier Dekaden interpretieren. Ein „Sing mein Song“ für die Schlagerfans. Und Schlagerfans gibt es viele. Schlager ist mehrheitsfähig, er ist die große Volkspartei unter den Musikstilen. Er hat viele Anhänger und sich seinen Platz im Alltag der Menschen über Jahrzehnte erkämpft. Ein Besuch auf einem Schlagerkonzert ist deshalb auch für genreferne Musikfans durchaus interessant.
Ich bin mit einer musikbegeisterten Mutter aufgewachsen. Im CD-Regal standen Donna Warwick, OMD, Herbert Grönemeyer, Tina Turner, Bonnie Tyler, The Beatles und eben auch Matthias Reim, Amanda Lear, Grace Jones, Modern Talking und Roland Kaiser. Ich kenne sie alle! Und ich bin froh, dass ich so einen großen Querschnitt an Pop, Rock und Schlager in meiner Kindheit gehört habe. Das hat mich offener gemacht für viele Musikstile, außer für Metal, der verursacht mir auch nach Jahren nur derbes Ohrenbluten. Aber ich versuch’s immer wieder. Wenn wir samstags beim aufräumen geholfen haben, dann klang ganz oft Roland Kaiser vom Plattenspieler. Was ich früher an Texten nicht verstanden habe, wurde mir am vergangenen Freitag umso klarer. Da geht es ja nur um das Eine! Herrjemine! Da sag noch einer, Schlager sei Kinderkram. Roland Kaiser besingt so viele erotische Abenteuer, wie er in Erfurt selbst sagte – wenn er die alle erlebt hätte, wäre er wohl 166 statt 66 Jahren alt. Einen Bruchteil habe er selbst erlebt, bemerkt er noch mit einem Lächeln und stimmt dann „Flieg mit mir zu den Sternen“ an.
Rund 6.000 Menschen haben sich in der Messe Erfurt versammelt zu einem ausverkauften Konzert mit Hits, Hits und Hits, einem glänzend aufgelegten Roland Kaiser im schicken Anzug mit Weste und Einstecktuch und vielen blinkenden Kronen auf den Köpfen im Publikum. Menschen jeden Alters haben sich hier versammelt, um ihren Kaiser zu feiern und mit ihm Lieder, die wohl jeder irgendwann einmal gehört hat. Man kommt nicht drumherum. Man kann sich auch der Stimmung, die sich auf Schlagerkonzerten rasant entwickelt, nicht entziehen. Das ist so unglaublich positiv, man findet im Nachhinein schlecht Worte dafür, um diesem Gefühl nahe zu kommen, dass sich auf einem Konzert mit „ach so seichtem Gesäusel“ doch entwickelt. Da schwappt eine Welle kollektiver Begeisterung durch den Saal, die jeden mitträgt. Als bei „Santa Maria“ um mich herum alle Leute aufsprangen, tanzten, klatschten und mitsangen, habe ich – ja! – auch mitgewippt und konnte den Text mitsingen (Danke, Mama!). Die Menschen sind glücklich in diesen Momenten. Der Alltag ist weit weg. Sie sind umhüllt von einer großen Lichtshow, einer perfekten Showproduktion mit Liedern, die sie vielleicht schon ihr ganzes Leben begleiten, die sie glücklich machen und ihnen ein paar Stunden Auszeit schenken.
Das alles hat seine Berechtigung. Wer lieber zu Accept headbangt oder bei den Beatsteaks im Moshpit kreiselt, macht das mit genauso viel Begeisterung wie die Schlagerfans in der bestuhlten Messehalle, die ja am Ende doch nicht sitzen bleiben und ausgelassen zwischen den Reihen tanzen. Wahrscheinlich besuche ich in letzter Zeit so häufig Schlagerkonzerte, weil ich dort über meinen selbst geschaffenen musikalischen Tellerrand hinausschaue und es im Grunde ganz wunderbar finde, was ich da sehe: Glückliche Menschen.
Am 01. Juni 2019 kommt Roland Kaiser übrigens wieder nach Erfurt, Open Air auf dem Domplatz. Ratet mal, wer da hin geht. Und jetzt alle:
“Umdada, umdada, umdada, uh ah
Umdada, umdada, umdada, uh ah
Santa Maria!
Insel die aus Träumen geboren…”