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Blutengel auf „Monument – Die Nacht gehört uns“-Tour im HsD Erfurt

Blutengel05Eine Bestandsaufnahme

15.03.2013[db] Liebe Schwarze Szene, wir müssen reden. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Aber ich bin verwirrt. Ich weiß, man ändert sich mit der Zeit. Aber was zum Teufel ist mit dir geschehen? Du verwässerst! Deine Konzerte sind keine Untergrundevents mehr. Die Säle werden voll und das Publikum ist teilweise weit davon entfernt schwarz zu tragen. Du wirst dir fremd. Und damit auch mir. Oder sehe ich das zu eng? Bin ich voreingenommen und denke insgeheim, dass die Schwarze Szene den Gruftis gehört und alle anderen Eindringlinge sind? Ich glaube, ich werde alt. Wenn man alt wird, wird man uneinsichtig. Oder aber: die Schwarzen ziehen die Bunten an!

Ich bin ja schon froh, wenn ich auf Konzerten, wie denen von Blutengel sowas wie Patschuli rieche. Dann weiß ich zumindest, hier sind noch Grufties da. Bei Unheilig riecht man das gar nicht mehr. Auf ein so verändertes Publikum hätte ich bei der Formation um Chris Pohl an diesem Abend aber auch nicht getippt. Neben Teenies waren auch sehr viele Besucher mittleren Alters vertreten, hochgestylte Frauen, die man eher auf einem Minimal Electronics-Event vermutet hätte und jene, die sich noch nicht entschieden hatten, ob sie Gothic cool finden oder nicht, aber schon mal im EMP bestellt haben. Dazwischen altbekannte Szenegänger, wundervoll zurechtgezupfte Ladies in Petticoats und Korsagen, garniert mit Hütchen und weißen Kontaktlinsen. Chris Pohl-Doppelgänger und Jungs, die eindeutig auf eindringlichen Wunsch der Freundin anwesend waren. So bunt gemischt kannte ich das Publikum nicht. So viele weiße Stiefel und Ärzte-T-Shirts habe ich auf einem Blutengel-Konzert noch nicht gesehen. Und dann fragt man sich: Verwässert hier eine Szene und löst sich langsam auf oder öffnet sie sich und gewinnt dadurch an Zuspruch. Fakt ist, dass die Besucher- egal welcher Couleur- ein Ticket für diesen Abend lösten, weil sie der Band, der Musik, dem Image und dem Drumherum etwas abgewinnen können. Fakt ist, dass sie begeistert jede Note, jede Geste und jeden Ton aufgenommen haben, wenn sie nicht gerade wie Zombies auf ihre Smartphone-Displays starrten, wo das Konzert mitgeschnitten wurde. Das eint wahrscheinlich Fans jeder Musikrichtung oder Szenezugehörigkeit: Ein großer Teil von ihnen hat verlernt, ein Konzert zu genießen. Die Atmosphäre einzuatmen und die Musik zu spüren. Nein, da muss das Smartphone hochgehalten werden, um jede Bewegung zu filmen, die dann schlussendlich verwackelt unsehbar wird. Das nervt – von Konzert zu Konzert mehr. Ich habe an diesem Abend die Bühne nur über Displays sehen können, die vom hintersten Winkel bis zur ersten Reihe alles dominierten. Herrje, lernt doch mal abzuschalten! Das hört sich jetzt unglaublich maulig an. Das ist es auch. Aber stellt euch vor:  Ihr seid ein Riese und haltet ein Handy in die Höhe und ich stehe mit 1,65m hinter euch. Die Venue ist voll, es ist kein Vorankommen und ich stecke fest. Alles was ich sehe, ist eure Riesenschulter und euren Riesenkopf und euer Riesendisplay! Und ich bin nicht die einzige kleine Besucherin da. Da liefen einige verwirrt umher, nach einer Lücke haschend, die es schlichtweg nicht gab. Künstlerpech für den Besucher, Glück für den Künstler, weil das Konzert gut frequentiert ist.

Blutengel – das sind Chris Pohl und Ulrike Goldmann, die sich im Singsang der dunklen Seite hingeben. Mit „Monument“ schwimmen Blutengel derzeit auf einer Erfolgswelle. Das Album kletterte auf Platz 4 der Charts und dementsprechend groß ist das Interesse an der Band.  Der Sound von Blutengel ist simpel und doch symphonisch. Alles umrahmt von einer stimmigen Show und wundervollem Licht. Der Support „Melotron“ war an sich nicht verkehrt, wenn die Töne öfter gesessen hätten. Aber auch da spürt man den Hang zur großen Geste und die Begeisterungsfähigkeit. Doch eines sollte bitte keine Synthiepopband machen, niemals, unter keinen Umständen – Rio Reisers „Menschenfresser“ covern. Und auf keinen Fall sollte man als Besucher mit einem Körpermaß unter zwei Metern seinen Platz in der Nähe der Bühne aufgeben, niemals. Dann kann man viel Spaß auf einem Blutengel-Konzert haben. Dann kann Show sehen, dann kann man Bühnenbild und Band sehen, dann vereint sich alles zu einem harmonischen und gezuckert düsterem Ganzen. Dann funktioniert Blutengel auch genre- und szeneübergreifend. Wie an diesem Abend. Ich werde mich an den bunten Anblick wohl gewöhnen.

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