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M´era Luna 2022

Mera Luna 2022 – Welcome black “Welcome b(l)ack”

07.08.2022 [nk] M’era Luna – das Festival der schönen Menschen, der fern Gereisten, der Extrovertierten, der Musikvernarrten, … Mit 25.000 Besuchern ist hier die Vielfalt der schwarzen Szene vereint. In diesem Sommer nahm die Festival-Dürre ein jähes Ende. Die Nachtschattengewächse reckten und streckten sich. Diesmal schienen sie gar prächtiger denn je zu blühen. Auch die Wetteraussichten waren ideal. Beste Voraussetzungen für ein Wochenende des Wiedersehens, des Lachens, des Feierns, des Seufzens, des Selig seins. Würde all dies auch nach der Zwangspause zutreffen? Das Gelände wurde in diesem Jahr umgestaltet. Vor 22 Jahren fand das Festival zum ersten Mal auf diesem hiesigen Flugplatz in Hildesheim Drispenstedt statt. Die 2. Bühne war nunmehr reif genug, um auszuziehen. Raus aus dem stickigen, begrenzten Hangar, in dem der Schweiß zu Hochzeiten von der Decke tropfte. Hinaus in die Freiheit mit der Club Stage. Dieser wurde zudem ein schneeweißes, imposantes, rundes Sonnendach spendiert. Die neue Area mit dem stilvollen Schattenspender sollte sich noch großer Beliebtheit erfreuen.Ganz in der Nähe befand sich nun auch die Händlermeile. Somit war das Gelände geräumiger denn je und es machte sich sogleich ein äußerst zufriedenes Festival-Feeling breit. Der Bereich an der Hauptbühne, sowie der Campground blieben unverändert. Vor dem Haupteingang wartete wieder der Mittelaltermarkt mit seinen Gauklern, dem Met und allerlei Waren aus der vergangenen Zeit auf.

Am Freitag lockte das vielfältige Rahmenprogramm bereits tausende Besucher an. Spätestens, als man sein heiliges M’era Luna Bändchen erhielt war klar – dies alles war real und nichts wurde abgesagt. Auf dem Campinggelände erwartete einen das gewohnte Bild. Zelte reihten sich aneinander, nicht weit entfernt stolperte jemand über eine Abspannleine und fluchte. Setzten die einen auf eher praktische und spartanische Ausstattung, verwandelten andere ihr Wochenend-Domizil in eine luxuriöse, kleine Oase. Das offizielle Programm startete mit einer Lesung von Isa Theobald. Der wohlbekannte Hangar bot nun Platz für interessierte Besucher. Die Autorin gab Highlights ihrer Romane „Requiem für Miss Artemisa Jones“ und „Gebet für Miss Artemisia Jones“ zum Besten und sorgte schnell für Erheiterung. „Ich hatte unheimlich viel Spaß daran, Leute in diesem Buch zu zerstören“. Der sympathischen Menschenfeindin folgte ein Vortrag von Lydia Benecke. Hier ging es um „Die Psychologie der Manipulation: Von Liebesschwindlern, Gurus und Serienmördern“. Der Hangar platze gefühlt aus allen Nähten, das Interesse an diesem Thema war grenzenlos. Und wer hier kein freies Fleckchen mehr finden konnte, die Vorträge von Lydia findet man übrigens auch bei YouTube. Final übergab sie dann das Wort an den Autor Markus Heitz. Zuletzt war er zu Pandemiezeiten virtuell in einer speziellen M’era Luna Ausgabe zu sehen. Doch damit war Schluss. Echte Menschen, wahre Emotionen und direktes Feedback. All das wird er genauso vermisst haben, wie wir. Freudig begann er mit den Worten: „So viele schöne Menschen wieder… und Dixi-Klos!” Zugegeben, diese haben wir nicht ganz so sehr vermisst. Markus Heitz las aus seinem aktuellen Buch „AERA 2 – Die schwärzeste Nacht“ und präsentierte uns Auszüge aus dem Doppelroman „Herz der Zwerge“, der bereits in den Startlöchern steht und im Herbst auf den Markt kommt. Genug gesessen, die Dancefloor Gladiatorz warteten bereits neben weiteren Szene-DJs darauf, den Wesen der Nacht mit ihren treibenden Beats ordentlich einzuheizen. Die Senkrechtstarter brachten den Dancefloor wahrlich zum Glühen und wir sollten sie schon bald wiedersehen.

Samstag. Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein (M. Maniatis nach J.W. von Goethe)

Mit diesen einladenden und gefühlt umarmenden Worten wurden wir am Eingang auf einer Anzeigetafel empfangen. Man nahm sich erstmal einen Augenblick Zeit innezuhalten und das gänzliche Treiben bei Tageslicht zu bewundern. Sogleich flatterten zarte Glücksgefühle in einem umher. Es konnte losgehen.

Auf zur Hauptbühne. Enemy Inside haben das große Los gezogen und vollends beim Newcomer-Wettbewerb überzeugt. Somit eröffneten sie stolz die riesige Main Stage. Der erste Eindruck war – grell. Schließlich war es früh, die Nacht war kurz und die Musiker waren komplett in weiß gekleidet. Erfreulicherweise fand sich bereits eine große Besucherschar vor der Bühne ein und der harte Sound der Dark Rock Band, gepaart mit der engelsgleichen Stimme von Sängerin Nastassja Giulia bot einen stimmungsvollen Auftakt.

Voller Vorfreude machten wir uns nun auf den Weg zur Club Stage. Nun stand die große Premiere an. Adam is a Girl durften die jungfräuliche Bühne einweihen. Die Technik zierte sich zunächst ein wenig. Sängerin Anja Adam wirkte zu Beginn leicht angespannt. Als der Sound mitspielte, fand sie in das Set hinein, entledigte sich ihrer Sonnenbrille und schaffte es dann schnell, die neugierigen Besucher anzustecken. Zu „Soldier“ bewegte sie sich passend zu den Lyrics wie eine Marionette, die von Fäden geleitet wird. „Hier sind ja Menschen! Whoa seid ihr viele.“ Anjas Gesang wusste zu überzeugen. Ihre geschmeidigen Bewegungen harmonierten bestens mit dem seichten Synthiepop Sound. Mit „Goodbye Berlin“ wurde es nun richtig tanzbar. Das Publikum ließ sich von der Musik anstecken und nach wenigen Songs war das kurzweilige Set auch schon beendet. Anja sprang winkend von der Bühne. Dieser quirligen, talentierten und natürlichen Künstlerin sah und hörte man einfach unheimlich gerne zu.

Danach ging es musikalisch völlig gegensätzlich weiter. Ambassador 21 aus Belarus standen für brettharten Sound. Hier brach ein bedrohliches Industrial Gewitter über das Publikum herein. Auf der riesigen Leinwand im Hintergrund liefen kunterbunte Videos, auf denen unter anderem Aufstände zu sehen waren. Das Hardcore-Duo, bestehend aus Natasha A Twentyone und Alexey Protasov schrie die Menge unaufhörlich mit einem osteuropäischen Akzent an. Der Titel des Songs „Fuck All Systems“ war hier Programm. Wiederholt riefen sie „We are rebels!“ Die Zuschauer vor der Bühne waren begeistert und stimmten lauthals mit ein.

Auf der Main Stage machte sich zeitgleich Harmonie breit. Der Name der Band Qntal erschien der Sängerin einst in einem Traum. Mittelalterliche Klänge mit elektronischen Einflüssen, gepaart mit Gesang in unterschiedlichen alten Sprachen luden hier zum Entspannen ein. Aber es gab auch Ausnahmen. Das Stück „Veni“ aus Carmina Burana wurde neu interpretiert und mit einem stattlichen Beat versehen. Qntal haben zudem Gäste mitgebracht. Stimmliche Unterstützung gab es von Mariko aus der Mongolei. Naraan Bataar bereicherte den Auftritt zudem mit einer Pferdekopfgeige und dem hierzulande eher unbekannten, mongolischen Über-/Untertongesang. Wir lernten noch weitere ungewöhnliche Musikinstrumente kennen. Mit der Baby Saz kamen bei dem Song „Fortuna“ eine Kegeloboe, sowie eine winzige Flöte zum Einsatz. Das Publikum wirkte von den mystischen Klängen wie verzaubert.

Chrom warteten mit einer Überraschung auf. Der Blick auf die Bühne sorgte für leichte Irritation. Wer stand da lässig an den Keys, war man hier richtig? Handelte es sich doch um Jean-Pierre Reuter, einen der beiden Erfinder des aufstrebenden Festivals „Ship of Rebels“. Für Klarheit sorgten die ersten Klänge von „Walked the Line“. Wir konnten aufatmen und standen goldrichtig. Sänger Christian Marquis stieß auch sogleich hinzu und ließ einen erneut zweimal hinsehen. Er ist deutlich erschlankt und sah richtig smart aus. Die Menge war von Beginn an begeistert und begrüßte die Band euphorisch. Christian entführte uns in eine liebliche, elektronische Welt aus Zuckerwatte. Zwischendurch gab es durchaus treibende Beats, doch auch diese waren stets mit seiner unverwechselbaren, sanften Stimme vereint. Hier war gute Laune angesagt. Beim letzten Stück wollte Christian nochmal „Vollgas“ sehen. „Start of Something New“ entfachte beflügelte Momente und der Sound dazu ging direkt in die Beine.

Zurück zum Hauptgeschehen. Bei Schattenmann stieg gerade grüner Rauch auf. Dazu ertönte ein mächtiger Knall, der für Aufschreie auf Seiten des Publikums sorgte. Auf der Bühne standen rostige Bauzaunelemente, die mit Maschendrahtzaun versehen waren. Die Musiker kamen hinzu und Frank Herzig begrüßte uns mit den Worten: „Willkommen im Schattenland.“ Mit dem gleichnamigen Song rockten die Jungs aus Nürnberg los. „Könnt ihr euch vorstellen, wie wir uns gerade fühlen? Habt ihr Bock die Hütte mit uns abzureißen? Dann lockert eure Sprunggelenke, die werdet ihr jetzt brauchen.“ Der Mitmachsong „Spring“ aktivierte die ersten Reihen. Dazu kamen die ersten Feuerschläge zum Einsatz. Es ging direkt unermüdlich weiter. “Nehmt euch mal alle in den Arm. Liebt euch M‘era Luna! Und jetzt die Hand ans Gesäß.” Dieser Aufforderung kamen die wenigsten nach, man nahm stattdessen verwirrte Blicke und das ein oder andere Schmunzeln wahr. Es folgte „Generation Sex“. Und während Sänger Frank Herzig beim Song „Chaos“ den Untergang der Welt besang, während die Menschheit völlig tatenlos zusah, betrat ein wilder Clown die Bühne. Er trug einen Rucksack, der an die guten alten Ghostbusters Filme erinnerte und attackierte die Musiker mit seinem Nebelwerfer. Frank „drehte“ dann während des Songs „Amok“ komplett durch. Bewaffnet mit einer Kettensäge wirbelte er diese im Kreis umher und versprühte einen Regen aus Funken. Mit einer gelben Bengalofackel in der Hand läutete er den letzten Song ein und zu „Cosima“ schwang die Menge ihre Arme nochmal hin und her.

Weiter ging es mit dem Horrorzirkus von Ost+Front. Wir sahen blutüberströmte Musiker, schaurige Maulkörbe sowie irre wirkende Gespielinnen, die sich in Lack oder Leder vermummt auf der Bühne herum räkelten. Hier traf man auf Neue Deutsche Härte und eine auffällige Show, die jedoch stets mit einem zwinkernden Auge versehen war. Eine Menge Leute wollten diesen Auftritt nicht verpassen. Fräulein Edelweiß leistete Sänger Herrmann im Dirndl, mit einem überdimensionalen Sombrero Gesellschaft und sang mit ihm im Duett „Fiesta del Saxo“. Der Klang von wetzenden Messern läutete den Song „Fleisch ist Fleisch“ ein. Hier hob Edelweiß auch ihr Röckchen und ließ sich von Herrmann den blanken Hintern versohlen. Kurze Zeit später beglückte sie die ersten Reihen und gönnte manch einem einen kräftigen Schluck aus einem Transfusionsbeutel samt rotem Inhalt. Eine Coverversion zu „Warte, warte nur ein Weilchen“, in der man die kannibalistischen Taten vom Schlächter Fritz Haarmann darbot, reihte sich in das Set ein. Schluss war dann mit dem Song „Bitte schlag mich“. Dazu stiegen schwarze Luftballons empor. Mit der Spielmannszug Musik zu „Preußens Gloria“, verabschiedeten sich die eingesauten Musiker vom Publikum und gingen hoffentlich erst einmal duschen.

Sonne macht albern? Bei Tyske Ludder kam der Spaß definitiv nicht zu kurz. „We are Tyske Ludder, let’s fucking Rock ’n‘ Roll”. Dafür brauchte es nicht mal Gitarren, denn bei den Jungs ging es rein elektronisch zu. Getanzt wurde dennoch und das nicht zu knapp. Die überschwängliche Laune der Musiker war richtig ansteckend. Auch wenn man Tyske Ludder zum ersten Mal live erlebte, konnte man sich ihrem Charme nicht entziehen. Sänger Claus Albers sprach das Publikum immer wieder an: „Seid ihr gut drauf oder seid ihr alt? Ich kann euch nicht hören”. Und diese ungebrochene Spielfreude des Drummers Jay Taylor… Wollte man seine Motivation auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten, landete man unumgänglich bei einer 11. Er war überall präsent. In dem einen Moment headbangte an der Bühnenkante, im nächsten packte er sich eine Trommel und spielte mitten im Publikum weiter. Als Claus die Zuschauer auf die Knie befahl, stürmte Jay erneut in die Menge und half emsig nach. Einen Wimpernschlag später kletterte er an einem Pfeiler des Sonnendaches empor. Man kam kaum hinterher, all seine Aktionen im Blick zu halten und musste ständig erheitert lachen. Dirk verabschiedete die glückliche Menge nach einem sehr erfolgreichen Gig mit den Worten „Wir sehen uns an der Bar, ihr Trunkenbolde!“

Lacrimas Profundere sind Last Minute für die erkrankten Jungs von Megaherz eingesprungen. Ihre Spontanität war bemerkenswert. Sänger Julian Larre war geschlagene 31 Stunden unterwegs. Drummer Dominik Scholz unterbrach extra seinen Urlaub für den Auftritt. Doch ihre Mühen sollten belohnt werden. Auf der Main Stage wurden sie von einem riesigen Publikum empfangen. Mit „Dead to Me“ preschten Lacrimas Profundere sogleich stürmisch los. Ihr melodischer Dark Metal bediente sich mittlerweile einer Reihe von Facetten. Nachdem Julian seine Sonnenbrille ablegte, kam sein Look erst gänzlich zum Vorschein. Man sah sein auffälliges Augen-Make-Up in Rottönen. Dazu trug er weiße Kontaktlinsen. Zusammen mit seinen akzentuierten Eckzähnen wirkte er wahrhaft mystisch bis teuflisch. Er animierte die Menge immer wieder aufs Neue. Die Stimmung war vom ersten Moment an enthusiastisch. Wenn man Berührungsängste hat, sollte man bei einem Konzert von Lacrimas Profundere wohl eher eine der hinteren Reihen aufsuchen. Wobei, selbst dort kann keine 100%ige Garantie gegeben werden. Julian fühlt sich in der Menge sichtlich wohl. Auch hier dauerte es nicht lange, bis er im Bühnengraben stand und sich mithilfe eines starken Fans an der Sicherheitsabsperrung hochzog. Von dort aus sang er aller Seelenruhe weiter. Die haltgebende Unterstützung seiner Fans war ihm schließlich gewiss. „I would like to wish gute Besserung for Megaherz, because they should be playing here today. But we are here to entertain you. We have the best time, so thank you so much.” Sie präsentierten mit “A Cloak Woven of Stars“ einen neuen Song mit Hitpotenzial. Gitarrist Oliver Schmidt und Bassist Ilker Ersin jammten zwischendurch zusammen und dann kam der Moment, als Julian das Publikum bat, ihm etwas Platz zu schaffen. Kurzerhand sprang er gekonnt über das Absperrgitter und lief singend durch die Menge. Der frenetische Jubel war ihm Gewiss und der plötzlich offen gewordene Slot wurde hier mehr als ebenbürtig geschlossen. Ende August erscheint ein neues Album von Lacrimas Profundere und im September ist bereits ein Wiedersehen auf ihrer großen Deutschlandtour möglich.

Solitary Experiments standen schon auf der Club Stage parat. Sänger Dennis Schober mahnte grinsend „Ihr seid zwei Jahre zu spät!“ Ja, das waren wir leider alle. In der Zeit haben sich auch wechselnde Gefühle aufgestaut, die nun endlich wieder in positive Energien umgewandelt werden konnten. Und diese wollten ans Tageslicht katapultiert werden. Die fröhliche Electro Sause startete mit „Crash & Burn“ und so mussten auch Solitary Experiments gar nicht viel dafür tun, dass die Menge feierte, tanzte und mitsang. Man weiß einfach, dass man bei einem Konzert der Jungs immer eine gute Zeit hat. Drummer Frank Glassl trommelte leider ohne seinen Buddy Seppo, der an diesem Tag einen wichtigen privaten Termin hatte. Herr Kapellmeister Michael Thielemann hatte aber alles im Griff. Dennis fragte in die Runde: “Seid ihr wach, habt ihr Spaß? Dann lasst es raus!“ Genau das geschah, wohin man auch sah. „Habt ihr Bock auf etwas Neues?” Es folgte die aktuelle Single „Wonderland“ vom kommenden Album Transcendend. Klassische Hits kamen nicht zu kurz. „Stars“, „Delight“ und „Epiphany“ sind wahre Dauerbrenner – im wahrsten Sinnes des Wortes. Denn die Pyroeffekte leuchteten mit den Augen der Fans um die Wette. “Danke, dass wir für euch spielen durften. Das ist unglaublich. Nicht nur für euch. Vielen Dank M’era Luna. Das hat so gutgetan. Wir sehen uns auf unserer Tour im November.” Wir danken Solitary Experiments. Denn: We were dancing in delight, all our dreams were fulfilled.

Bedächtige, klassische Momente auf einem Festival? Lord of the Lost bewiesen, dass diese Idee gar nicht so abwegig war. Nachdem sie im Jahr 2013 erfolgreich beim Leipziger Event „Gothic meets Klassik“ vertreten waren, tauschen die Jungs immer mal wieder ihre coolen Looks gegen feinen Zwirn und lassen es sinnlicher und dramatischer angehen. So hatten sie bei diesem Auftritt einige Streicher und zwei Trommler dabei. Ok, Gared Dirge ließ es sich dennoch nicht nehmen, seine Fingernägel mit quietschpinkem Nagellack zu verzieren. Aber ansonsten sah die Band richtig edel in diesem Dress aus. Für die Festivalbesucher war es eine wunderbare Gelegenheit, die müde getanzten Beine ein Weilchen zu schonen. Viele nahmen auf dem Hang Platz und genossen so die Show. Diese begann mit einer Pianoversion von „Lighthouse“. Chris Harms ließ es sich dennoch nicht nehmen die Fans zum Mitsingen zu animieren. Ohne zu zögern, stimmte der riesige, dunkle Chor vor der Bühne mit ein „Wake up, wake up, light a candle in the dark.“ Sämtliche Zweifel waren in diesem Augenblick bereits passé. „Es ist immer wieder eine so schöne Kulisse. Und ich kann mal wieder sagen, wir sind wieder zu Hause. Wir haben euch sehr, sehr, sehr vermisst. Ihr seid endlich wieder da. Kann ich euch mal hören M‘era Luna? Ich habe da 2-3 nicht gehört. Wo seid ihr?“ Ich kann mich noch gut an die ersten Auftritte von Lord oft he Lost auf dem M’era Luna erinnern. In aller Frühe haben sie sich die Seele aus dem Leib gespielt und kontinuierlich mehr Fans gewonnen. Umso schöner, dass sich die harte Arbeit der fleißigen Musiker über die Jahre mehr als ausgezahlt hat. „Da steht man hier, singt diese düsteren Texte und schaut in soviele strahlende Gesichter im Sonnenschein. lasst uns einfach so tun, als sei das der Mondschein. Das macht das alles romantischer.” Recht hatte er. „Six Feet Underground“ stand mit der Kraft der eindrucksvollen Streicher für sich. Der Song stach in diesem Gewand besonders heraus. „Loreley“ bahnte sich indes den unaufhaltsamen Weg, Stimmung zu erzeugen. „Die Mädels wollen gerne aufstehen. Stimmt das, ihr wollt Loreley im Stehen performen?” Diese Idee wurde direkt bejubelt und das Orchester stand nicht nur, die klassisch ausgebildeten Musiker tanzten und das gesamte Experiment konnte als gelungen bezeichnet werden.

Mittlerweile büßte die Sonneneinstrahlung einen Teil ihrer Power ein. Dies tat auch Not, Faderhead standen in den Startlöchern. 10 Minuten vor Beginn des Sets lief auf der Leinwand ein Countdown herunter. Die letzten 10 Sekunden wurden ungebeten vom Publikum heruntergezählt. Jetzt konnte die wilde Party mit „Generation Black“ starten – und die Menge hüpfte. Am DJ Pult bekam Sami u.a. anheizende Unterstützung von den Dancefloor Gladiatorz (da sind sie also wieder) und Jörg Lütkemeier von Straftanz. „Ich bin Sami aus Hamburg und bin froh, dass ihr euch bei der Brathitze entschieden habt hier zu sein. Jetzt kommt unser beliebtester Song auf Spotify – Know your Darkness.” Es entstand ein sagenhaftes Energiefeld vor und auf der Bühne. Jegliche Endorphine gerieten ebenfalls in Wallung. „Als nächstes spielen wir ‘ne kleine Ballade und bekommen Unterstützung von einer Band namens Eisbrecher.” Damit hat niemand gerechnet. Alex Wesselsky gesellte sich hinzu und statt einer Ballade war mit „No Gods, no Flags, No Bullshit“ Vollgas angesagt. Alex hatte sichtlich Spaß an dem Ausflug in die Electro Welt. Etwas aus der Puste kommend kündigte Sami an: „Jetzt aber ‘ne Ballade. Man wird nicht jünger.” Eine kleine Erholungsphase war hier nicht verkehrt. „Better“ ist zudem ein traumhaft schöner Song. Natürlich wurde das Energielevel danach umso mehr gepusht und final tobten sich alle zu „Tanz Zwo Drei Vier“ aus.

Bedeutend ruhiger wurde es im Anschluss mit einer Portion Oldschool Gothic Rock bei The Mission. Was die Herren auf der Hauptbühne gar nicht nötig hatten, war ein gewisses Tamm-Tamm – im Gegenteil. Hier ging es unbeeindruckt, cool und lässig zu. Die ersten Klänge der 12-saitigen Gitarre von Simon Hinkler machten sich breit. Sänger Wayne Hussey stieß erstmal gemütlich mit dem Publikum an. Man durfte sich an dieser Stelle über perfekt abgemischten Sound freuen. Einzig allein der Wind und die Sonne ärgerten Wayne ein wenig „There’s a big fucking light in the sky. I’m not used to it. I wish a wore my hat – the wind is playing havoc.“ Er meinte damit seine graue Haarpracht, die ihm ständig ins Gesicht geweht wurde. Generell war Wayne an diesem Abend redselig. „You wanna sing along? We’re gonna play a few songs you might know” Damit sollte er recht behalten. Das Set bestand abgesehen von “Met-Amor-Phosis” aus älteren Stücken. Viele sphärische Momente entstanden, das Abendlicht tat sein Übriges. „This is the best song you’ll hear all weekend”, scherzte Wayne. Welcher Titel das war? Na „Butterfly on a Wheel”. Er nahm sich zwischendurch immer wieder etwas Zeit, um die Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Als die Fans selig mitsangen, hockte er sich einfach hin und begutachtete seinen beeindruckenden Chor. Mit den letzten Tönen von „Deliverance“ endete dieses wohltuende Set.

Blutengel spalten seit Jahren die Gemüter. Denn eine Band, über die man spricht, erhält viel Aufmerksamkeit und somit ist die Fanschar beachtlich. Direkt beim Opener „Our Souls will never die“ ging es für Chris Pohl und Sängerin Ulrike Goldmann heiß zur Sache. Jedoch anders als gedacht. “Wie war das mit we don`t feel the fire? Also das war ganz schön heiß hier. Wir wurden gerade von unserer eigenen Pyro-Show ein bisschen getoastet, aber egal.“ Zudem bat er um ein Glas Wasser, da ihm das jedoch zu lange dauerte, meinte er entrüstet aber grinsend, er sähe gleich aus wie eine Rosine! Bei dem Song „Wer ist dein Meister“ kamen die Tänzerinnen hinzu. Die Show begann und die Mädels unterlegten Chris‘ Worte des Machtspiels mit Gesten. Weiter ging es mit „Dein Gott“. Ein schwarzer, weiblicher Engel mit Hörnern traf auf drei weiße Nonnen. Der dunkle Engel wurde von ihnen angebetet und berührt. Dann befahl er ihnen, sich zu entkleiden. Sie begannen lasziv in Unterwäsche zu tanzen, bis der Engel theatralisch Kunstblut über eine der einst Gläubigen schüttete. Chris stellte daraufhin pikiert fest: „Du hast ein Pfützchen gemacht. Aber nur ein kleines, du läufst aus. Husch, husch. Das ist ja fürchterlich!“ Der Sänger machte sich durchaus einen Spaß aus dem Zwiespalt rund um Blutengel. „Und für alle die geklatscht haben, weil sie dachten es wäre das letzte Lied… isses gar nicht. Wir müssen das hier zusammen durchziehen!“ Bei „Reich mir die Hand“ sahen wir ein letztes Feuer-Intermezzo. Die leicht bekleideten, blutverschmierten Tänzerinnen waren nun mit Flammenwerfern ausgestattet und feuerten nach Herzenslust ihre heiße Munition ab.

Auf die nächste Band haben sich sehr viele Besucher gefreut. Allerdings war den meisten nicht klar, dass Nitzer Ebb leider ohne ihren überaus beliebten Frontmann Douglas Mc Carthy auftreten mussten. Es gab noch eine weitere Veränderung, denn mit Daniel Myer stand ein ungewohntes Gesicht an den Keys. „Blood Money“ erklang aus den Boxen und ein blendend gelaunter Bon Harris enterte die Bühne. Er strahlte pure Freude aus. Die Beats gingen gewohnt nach vorn und der Sound war perfekt. Bon groovte gekonnt über das Parkett. Zwischen den beiden Keyboardern war ein weiteres, quadratisches Bühnenelement platziert. Dieses nutzte Bon regelmäßig für ausufernde Tanzeinlagen. Es war eine Wonne ihm dabei zuzusehen. Im Publikum entstanden allmählich die ersten Pogoversuche. Ja, es fehlte eine gewisse Energie ohne Douglas. Leider haben sich auch für solch einen großen Act relativ wenige Fans vor der Bühne versammelt. Insgesamt waren die Besucher recht verhalten. Normalerweise würden an dieser Stelle 50% der Männer verschwitzt miteinander rangeln. Die Keyboarder waren zudem recht zurückhaltend. Eine mutigere Präsenz ihrerseits hätte Nitzer Ebb hier durchaus gutgetan. An Bon lag es jedenfalls nicht. Während manche in den Reihen eher verdutzt dreinschauten, ließen sich andere einfach auf das Konzert ein und genossen den Auftritt. Musikalisch gesehen blieben mit Hits wie „Control I´m Here“, „Let Your Body Learn“ oder „Murderous” keine Wünsche offen. Bon lieferte auch stimmlich gesehen brillant ab. Und auch wenn die Zugaberufe sehr zaghaft ausfielen, er bedankte sich total herzlich und freute sich darüber, noch „Cherry Blossom“ performen zu dürfen.

Headliner des Abends war ASP ft. The Little Big Men. Mittlerweile war es auch rappelvoll. Pünktlich zum M’era Luna haben ASP eine neue Single veröffentlicht. Der Titel „Die letzte Zuflucht“ zierte auch ihren riesigen Banner und mit dem Neuling legten sie auch los. Es gab übrigens ein neues Bandmitglied. Wir durften Tobias „Lias“ Engel am Bass willkommen heißen. 2021 ist er bei ASP eingestiegen und nun konnte er endlich live dabei sein. Seinen Einstieg meisterte er gekonnt. ASP machte sich nebenbei bemerkt einen Spaß daraus, Little Big Men nach jedem Song anzukündigen und diese Aussicht dann doch verpuffen zu lassen. Schließlich sei ein besonderer Abend und TLBM spielten heute zusammen mit ASP. Stattdessen spielten sie „Echo“, „Me“ und „Kokon“. Als man kaum noch damit rechnete, geschah das kleine Wunder. ASP setzte sich einen Zylinder auf und aus ihm wurde mit einem Wimpernschlag TLBM. Wie es überhaupt dazu kam? Auf einer längst vergangenen Tour ploppte die Idee auf, sich selbst zu covern und Songs aus der ersten Zeit zu performen, die längst nicht mehr in das derzeitige Konzept passten. Gesagt, getan. ASP erwähnte nun vorsichtshalber, dass sie bitte gute Freunde bleiben, falls sich der Spaß nicht auf die große Bühne bringen lasse. Und schon hörten wir das alte Schätzchen „Weltunter“. Die Begeisterung im Publikum war immens und ASP hatte sichtlich Freude an der seltenen Performance. Leider verkündeter er auch, dass sich nun die Bücher für TLBM schließen werden. „Eins unserer Mitglieder ist bei einer anderen Band mit drei Buchstaben eingestiegen.“ Bassist Lias entschuldigte sich dafür umgehend. Damit haben wir TLBM gedanklich zu Grabe getragen. Doch ASP hatten noch ein paar Songs parat. Die Menge wurde nochmal angeheizt und jegliches Gefühl wurde in den Song „Ich will brennen“ gelegt. Der Titel gipfelte in „Fortsetzung folgt“ und mit diesem epischen Finale endete dieser ereignisreiche Festivaltag.

Sonntag: Das glücklichste Schwarz des Jahres

Diese Worte entdeckten wir an diesem Tag auf der Anzeigetafel. Mitten in der Nacht (um elf Uhr morgens) standen wir schon wieder mitten im trubeligen Geschehen. Es blieb keine Zeit, Müdigkeit vorzutäuschen. Hell Boulevard waren längst bereit, uns mit ihrem Gothic Rock wachzurütteln. “Not Sorry” war mit seinem hartem, schnellen Gitarrensound und der betörenden, tiefen Stimme von Matteo vDiva Fabbiani der ideale Song dafür. Hier war also wieder Partytime angesagt. Den smarten Sänger traf es übrigens ähnlich hart wie uns „I usually wake up at this time. It´s hard to sing now, but it`s amazing to be here and such a huge honour for us. We`re gonna play the next song for the last time ever, probably.” Kenner der Band wussten direkt, was nun kommt. Die einzig wahre Rock ‘n‘ Roll Version von Britney Spears‘ „Hit me Baby one More Time“. Ohne weiter darüber nachzudenken, stimmte man mit ein. Die Interpretation von Hell Boulevard war einfach stimmig. Matteo nahm die Begeisterung auf Seiten des Publikums amüsiert zur Kenntnis „Next time Ricky Martin“. Nun galt es tapfer zu bleiben, denn es wurde bereits der letzte Song angekündigt. Mit 20 Minuten beinhaltete dieser Slot leider ein kurzes Vergnügen. „In Black we Trust“ kurbelte die Stimmung nochmal an und wir waren nun wach und happy zugleich.

Die Unzucht ballerte danach rockend mit der Sonne um die Wette. Sänger Daniel Schulz lag dieser Auftritt sehr am Herzen. Seine spanische Familie konnte ihn zum ersten Mal live erleben. In die Herzen sang er sich auch sogleich mit dem Titel „Nela“. Vor der Bühne hatte sich mittlerweile eine riesige Menschenschar versammelt. Diese unterstützte Daniel mit erhobenen Armen bei den Zeilen „Dieses Licht in der Hand, wie ein Vogel im Wind, der aus tiefstem Nebel zu uns singt…“. Die Band war sehr glücklich über diesen Auftritt. „Endlich haben wir es zu einem Festival geschafft. Beim WGT war ich krank, beim Rockharz Tobi. Wir waren schon etwas abergläubisch.“ Als sie „Nur die Ewigkeit“ spielten, nahm der Sänger, den man immer herzlich lachen sah, ein Bad in der Menge. „Das ist das erste Mal seit 3 Jahren, dass ich schwimmen war.“ Ein weiblicher Fan verdrückte derweil ein Tränchen in der ersten Reihe. Ein letztes Mal fegte Daniel beim Song „Engel der Vernichtung“ über die Bühne. Seine Familie war bestimmt stolz auf ihn.

Auf der Club Stage freuten sich A Life Divided darüber, nach drei Jahren erstmalig wieder live spielen zu können. „Willkommen zurück im Leben“. Wer die Band vorher noch nie gesehen hat, Sänger Jürgen Plangger kam einem womöglich bekannt vor, denn er ist auch Gitarrist bei Eisbrecher. Aufmerksamen Zuschauern ist auch ein spezieller Gast im Fotograben aufgefallen. Alex Wesselsky hat es sich dort bequem gemacht und den Gig verfolgt. Jürgen kündigte unterdessen an: „Den nächsten Song solltet ihr kennen.“ Wohl wahr, handelte es sich doch um eine rockige Coverversion von „Sounds like Melody“. Darauf folgte mit „Heart on Fire“ ein sehr beliebter Song. Das Publikum freute sich sichtlich darüber und kurz danach war mit „The Last Dance“ schon Zeit, Abschied zu nehmen.

Wie wäre es mit einer schwarzen Technoparty unter dem beliebten Sonnendach? Soman lieferte das passende Set dazu. Kolja Trelle positionierte sich strahlend hinter seinem DJ Pult, gab ab der ersten Sekunde Vollgas und feierte seine eigenen Songs mit freudigen „Woohoo“-Rufen. „Hello everybody, nice to be here. It´s way too short, but this is club sound. Let`s go.“ Zwei Tänzerinnen in knappen Cyber-Outfits gesellten sich schon bald dazu und bewegten sich analog zu den treibenden Beats. „Blue Flame“ wurde visuell mit noch einem Highlight ergänzt. Eine weitere Tänzerin gesellte sich auf die Bühne und wirbelte einige Feuerfackeln im Kreis umher. Der Hitsingle Klassiker „Mask“ kam besonders gut an. Spätestens jetzt zündete der Funke, sprang über und wirkte sich wie ein Lauffeuer auf die Tanzbeine aus. „Thank you for being a wonderful audience.”

Wir reisten nun zeitlich gewaltig zurück. Der Mittelaltermarkt war plötzlich leergefegt. Sämtliche Mägde, Krieger, Knaben und Knappen waren verschwunden. Dies konnten nur eins bedeuten: Feuerschwanz baten zum Tanz. Die wilde Musikerhorde erwartete uns bereits auf der Main Stage. Hier wurden Äxte und Hüften geschwungen. Die unbeschwerten Musiker trugen Kleidung aus gegerbtem Leder und schnieke Beinstulpen. Ihre Schultern waren mit Fellen bedeckt und eine stattliche Rüstung durfte freilich auch nicht fehlen. „Lasst mal euer wüstestes Kampfgeschrei hören!“ Feuerschwanz stimmten „Ultima Nocte“ an und sangen über die letzte Nacht vor einer Schlacht. Die holden Damen tanzten dazu gekonnt mit Tüchern in orange-gelben Farben im Flammenlook. Echtes Feuer heizte der Truppe zusätzlich ein. Mit dem „Schubsetanz“ folgte der Rittersport und im Publikum ließ man der Aufforderung Taten folgen. Unter der Anleitung der Band entstanden gar Circlepits. Ja, das geht auch ohne Metal! „Freunde stellt euch vor, heute wäre der letzte Tag unseres Daseins. Und schon mal gut, wir sind hier auf einem Festival. Lebet so, als wärt ihr morgen tot, so spricht das letzte Gebot.“. Nun wurden die Fäuste in den Himmel gereckt. Mit „Warriors of the World“ (einem Manowar Cover) folgte das kraftvolle Finale samt Drehorgel. Es wurden nochmal zwei riesige Fahnen geschwenkt, ein paar Feuerschübe untermalten den letzten Song und Feuerschwanz wurden frenetisch verabschiedet.

Back to the future. Priest ersetzten The Cassandra Complex auf der Club Stage. Bei diesem Synthpop Act handelt es sich um ein wahres Kunstprojekt, welches mittlerweile einige Sänger verschlissen hat. Wir trafen also diesmal auf „Mercury“ Nummer drei. Die Masken des schwedischen Trios haben zudem ein Update erhalten. Statt auf Leder setzte man nun auf Kunststoff. Die Gesichter der beiden Keyboarder wurden nun von glänzenden, schwarzen Pechmasken verdeckt. Die Maske von Mercury hatte nur noch auf dem oberen Teil spitze Nieten, dafür wirkte sie generell technischer. Er bekam zudem ein künstliches Auge mit rotem Laser-Strahl – richtig spooky. Mercury sparte nicht mit Posen. Mal machte er einen Knicks, dann drehte er sich mit erhobenen Armen wie eine Ballerina, den Linsen der Fotografen präsentierte er ein wahres Potpourri an Gesten. „You look beautiful. Let`s continue with an oldie, but yet a goodie.” „Neuromancer“ sorgte direkt für Bewegung im Publikum. Und während man noch so vor sich hin groovte, stand Mimi Barks vor uns. Die junge Sängerin aus dem Trap Metal Bereich ist derzeit mit Combichrist auf Tournee und rappt, schreit oder growlt über die Bühnen der größten Städte Europas. Ihr Pagenschnitt war mittlerweile blau gefärbt, sie trug eine rote Kontaktlinse und ein extravagantes Outfit. Mit Priest performte sie den Song „Blacklisted“. Zu „Obey“ schnallte sich einer der „Raben“ eine Keytar um und Mercury lobte seinen gekonnten Einsatz am vorderen Bühnenrand mit den Worten „That´s what I call a keytar solo!“ Nach dem wahnsinnig anmutenden Song „Vaudeville“ verneigten sich Priest und zogen von dannen.

Eskalation voraus! An der Main Stage erwartete uns bereits ein mystisches Intro mit norwegischem Gesang von Andy LaPlegua. Es war angerichtet und Combichrist warfen direkt ihre explosive Single „Heads off“ in den Ring. Andy kam kreidebleich im bitterbösen Look mit pechschwarzem Haar, einer dunklen Kauleiste und einer finsteren Kutte auf die Bühne. Er sah aus, als wäre er gerade dem Höllenschlund entkommen. Bei „Not my Enemy“ schrie er sich die Seele aus dem Leib. Kräftige Headbanging Moves waren in den ersten Reihen unumgänglich. Etwas weiter hinten war die Pogoparty eröffnet. „I am not even supposed to be here today, but guess what? We are here, fuckers!” Wohl wahr, denn auch Combichrist gehörten zu den glücklichen Nachrückern, sprangen sie doch für The Crüxshadows ein. Eric 13 erfreute sich sichtlich an seiner neuen, feuerroten Gitarre, während Elliott Berlin wie gewohnt sein Keyboard bestieg oder er seinem Theremin kunstvoll Töne entlockte. Das wilde Gerangel im Publikum beeindruckte Andy „This is my family. This is where we get every emotion out. This is where we have a good time. And we take care of each other, do we?” Eric ließ sich von seinem Techniker ein Plektrum auf seine Zunge legen und posierte damit vor den Kameras, bevor er es einem glücklichen Fan zuwarf. „Maggots the Party” läutete den finalen Abriss ein, bevor sich Andy verabschiedete: „From the bottom of my heart: Thank you so much M’era Luna.”

Wer es elektronischer und gefühlvoller mochte, war bei Diorama an der richtigen Adresse. Sänger Torben Wendt trug zunächst eine stylische, dunkelrote Lederjacke. Er sah richtig frisch aus, wirkte heute besonders glücklich und strotze vor Energie. „Wir sind alle Helden nach diesen zwei Jahren. Wir sind Dio-fucking-Rama!“. Sie starteten mit „Her Liquid Arms“. Man sah Torben während seiner Performance an, wie intensiv er fühlte, was er einst mit seinen Jungs erschaffen hat. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum Diorama so viele Fans faszinieren und mitreißen. Im Hintergrund konnte man derweil die beiden Kinder von Keyboarder Felix Marc entdecken. Die Kiddies haben sich für diesen Tag richtig schick gemacht und sie feierten den Auftritt ihres Papas auf besondere Art und Weise. Torben scherzte vor dem nächsten Song „Wir haben uns so gewöhnt ans Maskentragen und können es nicht mehr lassen.“ Schon zog er sich eine goldene Maske über seinen Kopf und Felix trug eine in schwarz-weiß Tönen. Diese Szenen, passend zum Song „Record Deal“ haben wir schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Generell haben die Musiker ein ausgeklügeltes Set zusammengestellt. Der eher experimentelle Song „Sensation“ wurde raffiniert zwischen den erfolgreichen Hits „Ignite“ und „Gasoline“ eingebettet. Diorama entführten uns in ihre musikalische Welt. Der kleine Ausflug war Balsam für die Seele. Gegen Ende kam bei „Kein Mord“ nochmal richtig Stimmung auf und niemand „litt“ so schön wie Diorama und die vielen Menschen um sie herum.

Wie wäre für eine Weile innezuhalten, durchzuatmen? Sich von seinen Gefühlen leiten und die Musik durch den gesamten Körper strömen zu lassen? VNV Nation kamen im klassischen Gewand daher. Sie haben das berühmte Orchester der Leipziger Philharmonie inklusive des Konzertmeisters Holger Engelhardt mitgebracht. Direkt fiel die ungewohnte, ehrfürchtige Stille auf dem riesigen Gelände vor der Main Stage auf. Gleich der erste Song „Nova“ erntete einen ausführlichen Jubelsturm. Ronan Harris sang stehend und oft mit geschlossenen Augen. Wir hörten eine besondere liebliche, fast zaghafte Version von „Illusion“. Ronan musste zwischendurch innehalten und kämpfte mit den Tränen. „Das ist super emotional für mich – und das Orchester auch.“ Er war sichtlich ergriffen. Damit war er nicht allein. Viele Besucher hatten einen Kloß im Hals und man entdeckte einige glitzernde Kullertränchen um sich herum. „Wir wollen weiterspielen!“ Ist er sonst gern zu Scherzen aufgelegt, saust über die Bühne, unterhält sich während des Konzerts mit den Fans… So war es hier ganz anders. Ronan war richtig vornehm und nahm sich zurück. Er wirkte so warmherzig mit seinen freundlichen Augen und seinem milden Lächeln. Es folgte eine immens gefühlvolle Version von „Further“ und im Gegensatz dazu eine reichlich inbrünstige Interpretation von „Standing“. Die Kraft der Musik, sei es in bombastischen oder in ganz zarten und verspielten Momenten – sie kam hier an. Sie berührte und verzauberte einen. „Darf ich kurz etwas sagen? I love my Job. I feel guilty about this. For me as a musician, as a songwriter, it’s the greatest feeling on earth, to be in the presence of a wonderful public. Welcome back after two and a half years of waiting. And these exceptional musicians.” Danke, für diesen erstklassigen Auftritt.

Einen lustigen Moment erwischten wir, als wir zu Rotersand wechselten. Während des Soundchecks stiefelte Rascal bereits auf die Bühne und sang den Refrain von „Merging Oceans“. „Wenn wir gleich wiederkommen, müsst ihr so tun, als hättet uns noch nicht gesehen, ne? Ich freue mich jetzt schon.“ Im Publikum tauschte man irritierte, wie amüsierte Blicke aus. Das richtige Set startete mit „Grey“. Rascal meisterte die stimmlich sehr anspruchsvollen Parts des Club-Hits mit Bravour. Selbstsicher und präsent stieg er immer mal auf die vordere Box und nahm sein Publikum ins Visier. „Seit 20 Jahren empfangen wir euch in diesem Dom, dem Hangar. Und nun auf dieser kleinen Terrasse.“ Die Stimmung war fantastisch und die Fans hopsten, jubelten und tanzten ausgelassen. „Hey, hey, hey“-Rufe während „Torn Realities“ nahmen gefühlt kaum ein Ende. Rascal verstand es, die Menge immer wieder anzuheizen. Hielt er doch das Mikro Richtung Menge und wippte, bis auch alle in den letzten Reihen jubelten. „Ich glaube die Antwort auf viele offene Fragen – auch die, die wir heiß diskutieren, fängt mit L an und hört mit Ove auf.“ „Love remains“ hieß es schließlich in dem folgenden Song „Silence“. Vor uns stand zwar ein erhabener Sänger von besonderer Größe, doch sein Herz hat er am rechten Fleck. Eine weitere Ansage folgte mitten im Song „First Time“. Rascal rief mit hochgerissenen Armen: „Und du sitzt auf deinem Sofa und kriegst den Arsch mal wieder nicht hoch, aber diesmal wird es anders sein!“ Schließlich weiß man nie, was einen im Leben erwartet. Man sollte seine Zeit nutzen. Darum geht es in dem Song und der mitreißende Sound motivierte die Menge ohnegleichen. Krischan veränderte den Song unabgesprochen und Rascal konterte „Alter, der Typ spinnt! Die letzten 20 Gigs macht er immer irgendeinen Scheiß, um mich aus dem Konzept zu bringen!“ Dann musste auch noch sein Mikrofon ausgetauscht werden. „Ich finde Krischans Mikro ist viel schöner. Ihr habt das andere kaputt gemacht, weil ihr so rumschreit. Kommt, wir machen noch mehr Technik kaputt!“ Zeit für „War on Error“. Krischan und Rascal spornten die Menge immer wieder zusammen am Bühnenrand an. Auch Rascal war Fan der neuen Stage. Er bedankte sich dafür, dass sie nun eine so schöne Terrasse bekommen haben, auf der man auch noch ein bisschen Sonne für die blassen Gesichter erhaschen kann. Rotersand hatten heute die Spendierhosen an. Neben einem famosen Auftritt und perfekt arrangierter, elektronischer Musik gab es auch noch niedliche Teddybärchen mit Rotersand-Shirts, die nun im Publikum lauter neue Besitzer fanden. „Undone“ begann mit seichten Pianoklängen. Rascal sang dazu voller Gefühl die ersten Zeilen, bis auch der letzte Titel in einer überschwänglichen Party endete. Diese beinhaltete dennoch eine wichtige Message: „Everybody needs somebody“.

Bei Schandmaul blies uns musikalisch gesehen ein völlig anderer Wind entgegen. Hier spielte man Dudelsack, Drehorgel und Akustik-Gitarre. Muntere Spielfreude machte sich beim „Herr der Winde“ breit. Ihre Vorliebe für Märchen könnte man nicht von der Hand weisen. Sinnierte Sänger Alexander Kaschte doch gleich: „Wer wie ich damals den vorlesenden Worten meiner Großmutter lauschte, der wüsste, dass es in dem Märchen der Froschkönig darum geht, dass jemand belohnt wird, der es nicht verdient hat. Warum ist es eigentlich immer die Prinzessin? Was ist passiert im Märchen? Die Prinzessin hat ihren Ball verloren und der Frosch war so freundlich ihn wieder rauszuholen. Was war der Lohn? Sie zerklatschte ihn an der Wand! Und was war dafür der Lohn? Er wurde zu einem Prinzen. Das haben wir als eine Ungerechtigkeit empfunden und haben es umgedichtet. Diesmal ist es andersherum. Beim Kuss des schönen Prinzen wird er zum Frosch.“ Wir hörten Schandmauls Version vom „Froschkönig“. Für die anstehende Ballade war ihm das Sonnenlicht eigentlich zu hell. „Habt ihr diese Tisch-Fernseher dabei? Es gibt doch sogar eine App, bei der auf dem Bildschirm ein Feuerzeug abgebildet ist. Wir stellen uns jetzt Dunkelheit und Romantik vor.“ Das Publikum folgte seinem Wunsch und stimmte bei dem Titel „Der Anblick“ mit ein. Schandmaul können aber auch anders. Plötzlich erklang eine (Achtung!) harte (!) Gitarre – das war der Startschuss für „Knüppel aus dem Sack“. Gab es eigentlich Headbanger im Mittelalter? Wie dem auch sei, im Jahr 2022 schüttelte man hierzu kräftig seinen Schopf. Bei der „Walpurgisnacht“ bat Thomas die Fans nochmal um gesangliche Unterstützung „Ihr singt das jetzt weiter – ich mach was anderes!” Selbstredend ließen sich die Fans nicht lumpen und hörten auch nicht auf, als der Song längst ausklang. Der „Feuertanz“ bildete den würdigen Abschluss für einen gelungenen Ausflug in die vergangene Zeit.

Wer steht auf der Bühne, wenn die Nebelmaschine bereits ächzt? Die Gothic Rock Ikonen The Sisters of Mercy. Doch dann geschah es, der Nebel legte sich und man konnte die Musiker richtig erkennen. Dazu schien die Sonne! Ein ungewohntes Bild. Konzerte der Sisters hat man sonst zu später Stunde bei völliger Dunkelheit gesehen. Sänger Andrew Eldritch kam mit einer Zigarette in der Hand auf die Bühne. Zunächst trug er eine schwarze Maske, die er erst abzog, als er die ersten Worte von „Don`t Drive on Ice“ zu singen begann. „Guten Abend. Ihr wisst, dass wir hier wohnen?” Viele Fans kamen zu diesem Auftritt. Doch die Reaktionen waren zunächst relativ verhalten. Wie auch bei der Autogrammstunde am Mittag. Denn diese fand ohne den Sänger statt. Erst bei den Hits „More“, „Temple of Love“ oder „Lucreatia My Reflection“ kam auch bei den jüngeren Besuchern Stimmung auf. „Ach, was seid ihr süß“, neckte Andrew die Fans. Auch, wenn die Band das letzte Album im Jahr 1990 herausgebracht hat und der finale Song gar aus dem Jahr 1985 stammte – die Textsicherheit zu „This Corrosion“ war bei den meisten gegeben.

Die wahre Festivalromantik breitete sich aus, als es etwas ruhiger auf dem Gelände wurde und die Sonne allmählich unterging. Man schlenderte in Ruhe an all den Ständen entlang. Sah aufgeregte Gothics, die sich daran erfreuten, buntschwarzes Softeis zusammenzustellen. Auf dem Mittelaltermarkt blieben wir kurz an einem Badehaus mit Badezubern stehen. Darin befand sich warmes Wasser mit allerlei Kräutern. Im Zelt nebenan entkleideten sich die Badegäste, duschten und stiegen dann in Grüppchen nackt in runden Wannen. Mitten auf dem Markt. Wir erwarben noch ein Kirschbier und machten uns ein letztes Mal auf den Weg zur Mainstage.

Showtime für Eisbrecher. Nach dem starken Einstieg mit dem Song „Verrückt“ kniete sich Alex Wesselsky mit Tropenhut und Uniform nieder und wandte sich an das Publikum: „Nach der langen Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben, darf man sich auch mal auf`s Knie schmeißen. Willkommen zu Hause.“ Sein herzlicher Gruß kam gut an. Er nahm seine Sonnenbrille ab. Eingefleischte Fans wussten, was folgt. „Bis zur 1. Reihe kann ich gerade noch sehen. Hey Ladies, hey Boys. Den Rest kann ich maximal noch hören.“ Die Menge jubelte und nun wurde klar, warum Alex auf seine Brille verzichtete. Er wollte seinen Kopf zu dem Song „Fehler machen Leute“ derbe schütteln. Danach verschwand die Band für einen kurzen Moment von der Bühne. Dunkle Klänge ertönten. Dazu gesellte sich ein akustischer Sturm. Die Jungs kehrten im Polarlook zurück. Eingepackt in warmen Mänteln. Kuschelige Fellmützen schützten sie vor dem (Kunst) Schnee, der nun vom Bühnenhimmel fiel. Alex schlug kräftig zwei Eispickel gegeneinander und wir lauschten der „Eiszeit“. Die Dramatik des Songs wurde einfach perfekt visualisiert. Alex litt zu den Zeilen „Die Kälte zieht in alle Knochen und die Glieder werden schwer, sie haben mir mein Herz gebrochen, es schlägt – doch es lebt nicht mehr.“ Glücklicherweise haben aber doch alle fünf diese Eiszeit unbeschadet überstanden. „Viele Leute stehen im Licht, doch die besten siehst du nicht. Könnte von Goethe sein, ist aber von mir. Liebe Singles, solltet ihr dieses Elend beenden wollen, ein Rezept, wie man sich einen Partner baut, einen Prototyp. Hören Sie zu, lernen Sie was.“ Alex näherte sich mit großen Schritten dem Publikum und ging mit den ersten Reihen auf Tuchfühlung. Alle stimmen mit ein „Funken sprühen, die Schweißnaht glüht, ich bau mir einen Prototyp.“ Also zugegeben, mit einem Mundharmonika-Solo habe ich bei Eisbrecher nicht gerechnet. Doch genau damit leitete Alex den nächsten Song ein. Zunächst blieb ihm die Luft weg. Er sank zu Boden und streckte alle viere von sich. Rotes Licht dramatisierte die Situation. Man zog Alex einfach weg und hievte ihn wieder auf die Beine. Weiter ging es mit „This is Deutsch“. Egal wie sehr man am Boden ist, man hat zu funktionieren. Die Botschaft war glasklar. Mittlerweile ist die Dunkelheit hereingezogen. Es war fast Zeit Abschied voneinander zu nehmen. „Out of the Dark“ (ein Falco Cover) fügte sich perfekt in das Set. Noch einmal wurde die riesige M’era Luna Bühne in ein wunderbares Licht gerückt. Die Band verabschiedete sich herzlich zu den Klängen von „Junge komm bald wieder“ und warf ihren Fans noch eine ganze Menge Stoff-Eisbären zu.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei FKP Scorpio und die ausgezeichnete Organisation bedanken. Uns hat es an nichts gefehlt. Danke an alle fleißigen Helfer, an die Mitarbeiter, auch vor und hinter der Bühne, an die Händler, die Securities, an die Bands und all die Fans.

Am 12.08.2023 sehen wir uns wieder. Der Vorverkauf für das M’era Luna 2023 hat bereits begonnen. Folgende Bands wurden bereits bestätigt: In Extremo, Project Pitchfork, Subway to Sally, Joachim Witt, The 69 Eyes, Solar Fake, Letzte Instanz, Gothminister, Blitz Union. Nehmt gerne an der Besucherumfrage teil, gebt den Organisatoren euer ehrliches Feedback und verratet ihnen, welche Bands ihr zudem noch sehen möchtet.

Dieses Wochenende hat 25.000 Menschen eine Menge bedeutet. Uns auch. Ein letzter Gruß, ein letzter Blick. Mit einem Lächeln auf den Lippen und einem warmen Gefühl schauen wir zurück.

Text: Nadine Kloppert

Quellenangabe: Überschrift A. Treubmann

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