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Von Schildkröten, Drachen und Poesie

25 Jahre Kleines Fest im großen GartenDas „kleine Fest im Großen Garten“ feiert Jubiläum

21.07.2010 [sh] 1986, eine Idee macht die Runde. Die Herrenhäuser Gärten als Austragungsort wie geschaffen. Kurzweilige Darbietungen und eine große Programmauswahl, welche dem Besucher die individuelle Abendgestaltung ermöglichen. Ein Freiluftfestival der besonderen Art. Das Konzept ging auf, als einmalige Veranstaltung geplant, entschied man sich 1987 für eine Fortsetzung. Das Interesse der Besucher ließ das „kleine Fest“ immer weiter wachsen. Im zehnten Jahr spielte man bereits auf 23 Bühnen und die 100 Akteure wurden nun international. Das Bild an den Kassen glich sich stattdessen Jahr für Jahr. Lange Schlangen am Vorverkauf und der kurzzeitige Ausverkauf der Veranstaltungen. Um die Chance des Kartenerwerbs mehr zu streuen und fairer zu gestalten wurde 1999 das auch heute noch angewandte Losverfahren eingeführt. Trotz allem gehen jedoch jährlich viele Freunde des kleinen Festes leer aus, denn die Nachfrage ist dreimal so hoch wie Karten verfügbar. Mittlerweile gehört die Spannung dazu und man freut sich umso mehr, wenn einem das Glück hold war. Im Jubiläumsjahr wurde noch einmal aufgestockt. In der Zeit vom 07. – 26. Juli können an 17 Veranstaltungstagen rund 56.000 Besucher „Kleinkunst“ in Form von Magie, Artistik, Theater, Akrobatic, Varieté, Walk-Acts, Comedy, Puppenspiel, Poesie und Musik erleben.

Mittwoch, der 21. Juli. Immer die regionalen Wetteraussichten im Blick. Regenwolken ziehen von Westen auf Deutschland zu. Überall kann es heut regnen, nur nicht hier in Hannover. Dies zumindest wünschen sich mit mir die über 3.000 Besitzer einer Eintrittskarte für das „kleine Fest im großen Garten“. Gegen 17:00 Uhr machen wir uns auf den Weg. Im Gepäck haben wir nicht nur die Kameras, sondern auch einige Leckereien und eine Flasche Sekt. Als wir auf dem Vorplatz der Gärten ankommen, tummeln sich dort schon hunderte Menschen. Seitlich eine nicht enden wollende Schlange an der Abendkasse. Viele stehen hier schon seit Stunden und hoffen eine der limitierten Abendkassenkarten zu bekommen, aber lediglich 200 Glückliche werden hier noch für den Eintritt legitimiert. Als „Drachentöchter“ schleicht das Traumtanztheater in aufwändigen Kostümen durch die ankommenden Besucher. Neugierig werden sie immer wieder von Kindern umringt und bestaunt. Wir folgen der Masse und gelangen durch das große Eisentor auf die Festwiese. Hier haben es sich die Besucher schon auf Decken und Campingstühlen bequem gemacht. Die Inhalte von Bollerwagen, Rucksäcken und Kühltaschen sind ausgebreitet und so zelebriert man gemeinsam den Beginn eines wundervollen, faszinierenden Jubiläumsfestes. Auch wir gesellen uns zu diesem Treiben und gönnen uns ein Glas Sekt. Ständig entdecke ich neue Walk-Acts, welche sich hier bereits dem Publikum vorstellen. In der Ferne erblicke ich Cie FK – zwei Liebende. Ganz in weiß, mit roten Lippen und roten Rosen präsentieren sie ihre Liebe zueinander und krönen diese mit einem schüchternen Kuss. Augenblicke später kehrt Alltag ein, ohne Worte, nur gespielt.

Die „Orange Frau“ kommt hektisch des Weges. Der Schnelllebigkeit unserer heutigen Gesellschaft hat sie sich verschrieben. Und heut Abend? So manch kritischer und prüfender Blick wandert von den aufgetragenen Picknickleckereien zu deren Verzehrern. Seit vielen Jahren dabei, Frans der kleine Clown. Mit Lederhose, weißem Hemd, Fliege, Hut und Koffer wandelt er vorsichtig, ja gar schüchtern über die Pfade des Gartens. Er schaut, beobachtet und reagiert gar schweigsam, aber mit fesselnder Mimik auf die Initiative seines Publikums. Nach der herzlichen Begrüßung durch den Begründer des kleinen Festes, Herrn Böhlmann (auf dem Gelände zu sehen, als Mann mit dem Zylinder) öffnen sich pünktlich 18:30 Uhr die Tore. Wir genießen noch den letzten Schluck Sekt und die vorbeiziehende Schwanenfamilie. Jochen, der Elefant kommt auf seinem Fahrrad daher. Sofort fragt er, wieso wir denn noch hier seien. Das Programm würde doch bereits laufen und alle Leute sind schon drin. Ihn werden wir im Laufe des Abends noch einmal treffen, wo er dann sein defektes Radio beklagen wird. Meine Idee doch vielleicht selbst ein Liedchen anzustimmen, greift er dann auch sogleich auf und trällert: „Ich wollt, ich wär ein Huhn“. Rund um die Festwiese ist Ruhe eingekehrt und so begeben wir uns auch auf das Festgelände. Hier kreuzen grüne Hybriden – Wesen, die wie Tiere wirken und wie Pflanzen aussehen, aber auch menschliche Züge an sich haben – unseren Weg und ziehen die Zuschauer in ihren Bann.

Danach folgen wir der Allee und gelangen zu Eis Ali. Wir verweilen ein wenig und beobachten das Schauspiel, wie er mit flinken Fingern sein Eis unter die Abkühlungswilligen bringt. Schnell sein ist hier angesagt, aber wie schnell man auch wirklich ist, Ali ist schneller. Gerade fühlt man schon das leckere Eis auf der Zunge, jedoch hat man einen Moment später nur noch die leere Waffel in der Hand. Die Live-Comedians „Eure Mütter“ begeistern bereits, als wir dazu stoßen. Sie präsentieren unter anderem die Weltmeisterschaft im Synchron-Haare-waschen und haben dabei gleich eine Möglichkeit sich bei den Temperaturen Abkühlung zu verschaffen. Vorbei an großen Hecken finden wir die Bühne auf der der holländische Magier Hans Klok einen Ausschnitt aus seiner Show zeigt. Er gehört seit Jahren zu den weltbesten seiner Zunft und verzaubert sein Publikum. Mit Illusionen und Schnelligkeit, gewürzt mit etwas Magie, versetzt er die Massen vor der Bühne immer wieder in Erstaunen. So auch als er seine adrette Assistentin in einer Kiste verpackt, diese auf ca. 50 x 50 cm zusammenfaltet und zu guter Letzt auch noch mit Schwertern traktiert. Am Ende jedoch findet sie unversehrt wieder den Weg aus der Kiste auf die Bühne. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigt, es wird Zeit. Sascha Grammel möchte ich unbedingt erleben. Unterwegs begegnen wir überdimensionalen Heuschrecken die neugierig auf ihre Umwelt reagieren. Das muss ich schnell noch auf ein Bild bannen und dann such ich mir auch schon ein Plätzchen vor der Bühne. Mit Prof. Dr. Peter Hacke einem waschechten Hamburger Ökotrophologen diskutiert Sascha das Thema Übergewicht. Mit der Feststellung der Existenz eines Übergewicht-Gens, liegen die Ursachen somit im – an den Kühlschrank ge(h)n, zu oft Bier holen ge(h)n oder Süßigkeiten kaufen ge(h)n.

Josie, die niedliche Schildkröte stellt er als ersten interaktiven EC-Automaten der Welt vor. Sogleich zückt Sascha auch seine EC-Karte und wird von Josie mit strengem Blick drauf hingewiesen, die Karte doch bitte in den richtigen Schlitz zu stecken. Nach dreimaligem Nachfragen ob er denn wirklich Geld abheben wolle, flüstert er nun Josie seine Geheimzahl zu. Zur Sicherheit wiederholt diese sie noch mal laut. Man weiß ja nie. Sie zieht den Kopf bis in den Panzer und bekommt große Augen. Auf besorgte Nachfragen meint sie, sie müsse erst mal rechnen. Einige Zeit später, Josie hat sich erholt und Saschas Blick immer fragender. Auf den dezenten Hinweis wo denn sein Geld bliebe, meint sie nur noch trocken: „Ja seh ich denn aus wie ein Geldautomat?“ Die Vorstellung neigt sich dem Ende und Josie stellt ganz traurig fest: „Es sind soooo viele Menschen gekommen, nur leider keine einzige Schildkröte.“ Sie sei so einsam und hätte keine Freunde. So schaut sie Sascha mit großen treuherzigen Kulleraugen an und singt sich mit der Frage: „Willst du mein Freund sein, das wär so schön, alles gemeinsam und nie wieder einsam…“ in die Herzen der Anwesenden.

Hiernach brauchen wir eine kleine Stärkung, die wir uns bei den Moccamakern gönnen. In einer wundervollen Atmosphäre erfahren wir orientalische Gastlichkeit. Mocca, Tee und Leckereien aus 1001 Nacht werden hier mit viel Liebe zubereitet und serviert. Beim weiteren Lustwandeln bekommen wir die kleinen Streitereien des ungleichen Clowns- Duo Oskar und Strudel mit. und lassen uns von deren Charme, Comedy und Artistik berauschen. Die Dunkelheit erobert mittlerweile das Geschehen und das Finale rückt näher. In der Ferne erblicken wir die Schmetterlingstroika der „Art Tremondo“. Sie mussten auf der Erde notlanden und versuchen nun in rasantem Tempo abzuheben und zu ihrem siebten Himmel hinter dem Mond, dem Gestirn En.wo, zurückzukehren. Stürmisch wird’s. Der Auftritt des Projektes von „Dream Engine“ The Helioshpere muss aus Sicherheitsgründen verkürzt werden. Für die akrobatische Darbietung der schwebenden Tänzerin wird es in den luftigen Höhen zu gefährlich. Der Mann mit dem Zylinder bittet zum großen Finale. Darsteller und Akteure betreten noch einmal die Bühne und danken den Besuchern für einen wundervollen und gelungenen Abend. Gemeinsam blickt man gen Himmel und genießt das von barocker Musik untermalte Feuerwerk, welches den Himmel über den großen Gärten von Hannover erhellt. Mit dem Erstummen der letzten Töne findet der Abend sein Ende, die Menschen strömen immer noch begleitet von den Erlebnissen und Begegnungen der vergangenen Stunden zum Ausgang. Am Tor verabschieden sich einzelne Acts noch einmal persönlich. Aber wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist es kein Abschied für immer. Denn bereits im nächsten Jahr wird es eine weitere Auflage des kleinen Festes im großen Garten geben und mit ein wenig Glück werden auch wir wieder dabei sein.

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