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Wodka, Ledermasken und Jennifer

Jennifer Rostock liveJennifer Rostock im Pressenwerk, Bad Salzungen

27.03.2010 [db] “Herzchen, Umarmung gibt es später. Jetzt müssen wir arbeiten.” Und schon sprang ein kleiner Floh aus dem Publikum wild auf der Bühne herum und krähte “Kopf oder Zahl” ins Mikro, während die Chefin von Jennifer Rostock sich mit einem Glas Wein abdüppelte. 15 Jahre alt war der Floh. Nicht mal Bier könne sie ihr mitgeben, dann eben eine Flasche Wodka. Is ja auch was Schönes. Niemals wirklich ernst. Niemals trocken. Und auf keinen Fall ohne Ironie. Wenn die Rostocker auf die Bühne gelassen werden, kann man sicher sein, dass Frontfrau Jennifer kein Blatt vor den Mund nehmen wird und dass sie auf keinen Fall still stehen wird.

Die Band scheint Thüringen zu lieben, so oft wie sie hier spielen. Am Abend zuvor im F-Haus, Jena, am Samstag im Pressenwerk in Bad Salzungen. Und dabei ist immer wieder erstaunlich, wie sich die Fans beim Öffnen der Türen hineindrängen. Sie sind auf Filmriss-Tour – ein paar Stationen noch. Dann kommen die Festivals im Sommer.

Fertig Los! Ab in die Nacht, Warm Up für die Rostocker. Die Vorband mit eben diesem Namen, der so viel verspricht, hat keinen großen Eindruck bei mir hinterlassen. 2004 als „Spunk“ gegründet, sind die Münchner mittlerweile als „Fertig Los!“ bekannt. Auf ihren Tourstationen mit Jennifer Rostock präsentieren sie vor allem Songs aus ihrem neuen Album „Pläne für die Zukunft“. Doch leider gibt es von dieser Sorte Band zu viele. Bei all den Deutschrockbands, die es geschafft haben, wie Silbermond, Juli, Sportfreunde Stiller und eben auch Jennifer Rostock, wirken junge Bands wie Fertig Los! leider, leider immer wieder wie Trittbrettfahrer, die auf der Welle mit schwimmen wollen, die eigentlich schon viel zu weit weg ist. Das soll nicht gegen die Musik oder die Band sprechen, es fehlt aber das Neue, was sie von anderen unterscheidet. Keine Frage, sie spielen gut, sie interagieren mit dem Publikum. Doch da hätte ein Kracher kommen müssen, der mich final noch vom Hocker gerissen hätte. Aber sie spielen aufgeregt unaufgeregten Deutschrock. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Kracher sollten dann später kommen. Die Einlagen der Rostocker sind zwar bei jedem Konzert dieselben, doch nicht minder unterhaltsam: „Und wieder genug asoziale Säcke da, um das Konzert zu beginnen.“ Darauf erst mal ein Glas Wein. Es macht, selbst wenn man kein eingefleischter Fan ist (wie unsere Fotografin an dem Abend), derbe Spaß dieser Band zuzusehen. Die Umbaupause dauerte ein wenig länger, als es dem Publikum lieb war, aber die Erklärung folgte gleich, typisch weiblich: „Tut mir leid, dass ihr eben noch ein bisschen warten musstet, aber – Mädels – ich hatte ‘ne Laufmasche und das geht so nicht. Ihr wisst Bescheid? Ich hatte noch die Strumpfhose von gestern an, manchmal ist das so.“ Zwischen ruhigeren Nummern wie „Irgendwo anders“ und rockigen Stücken wie „Es tut wieder weh“, bleibt immer wieder Zeit, sich ein williges Opfer aus dem Publikum zu suchen. Einen jungen, potenten, gutaussehenden, heterosexuellen Mann suchte Jennifer, der zu ihr auf die Bühne sollte. Ein Freiwilliger war sehr gefunden: “Ja, der Schrei, den du grad abgelassen hast, war sehr heterosexuell.” Mit dem Rücken zum Publikum musste er dann zu “Mona Lisa” die Hüften kreisen lassen. Ganz ehrlich, so kann nur ein ganzer Mann tanzen.

Ich weiss nicht, ob der Hüftenwackler masochistisch veranlagt ist, aber er ging ein zweites Mal auf die Bühne, um sich fesseln und vom Bauchnabel bis zu den Knöcheln frei machen zu lassen. Hätte er mal nicht “Ausziehen!” gerufen, denn darauf reagiert Jennifer inzwischen auf ihre eigene Art, ganz speziell. Rache ist süß. Vor allem wenn man den maskierten Dr. Bärtchen dabei hat, der Handschellen aus der Tasche hervorzaubert. “Bleib ruhig hier stehen, Schatz. Wir werden eine Menge Spaß haben. Und jetzt das passende Lied ‘Du willst mir an die Wäsche’.” Man weiß echt nie, welchen Fips die Rostocker am Konzertabend haben werden. Dieser hier war ausgesprochen unterhaltsam. Wer das verpasst hat, ist selbst schuld.

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