Northern Lite – In Japan
Northern Lite ::: Letters & Signs – Part Two ::: VÖ: 30.Juli 2010
Achtung, Achtung: Bitte unterbrechen Sie Ihre japanische Teezeremonie. Stellen Sie die Tassen beiseite und lassen Sie Lotusblüte Lotusblüte sein. Nehmen Sie Ihre Plätze auf dem Dancefloor ein. Denn nun folgt: Der zweite Streich.
Man wusste nicht viel, was denn da kommen würde. Als „Letters & Signs – Part One“ im September 2009 erschien, hatten die Arbeiten an der Fortsetzung zwar schon begonnen. Cluborientierter sollte sie werden, zurückgenommene Gitarren bei vollem Prozessorenbeschuss. Mehr war nicht zu ahnen. Denn bei Northern Lite ist prinzipiell immer alles möglich.
Freilich: Andreas Kubat und Sebastian Bohn haben Wort gehalten. „Letters & Signs“ ist zu einem ausgesprochen tanzbaren Album geraten. Mit leichter Hand kreuzen sie – und die mittlerweile zum festen Band-Line-up gehörenden Gitarristen Frithjof Rödel und Valerian Herdam – Elektropop, Indietronic und atmosphärische Vocals. Nichts anderes darf man von ihnen erwarten. Denn dass sich die binäre Maschinenlogik der elektronischen Musik und strombefeuerte Gitarrenmusik inzwischen so gut vertragen und ihr wilder Paarungstanz die Dancefloors von Berlin über New York bis nach Japan beherrscht, ist nicht zuletzt dem Verlauf ihrer Geschichte zu verdanken, die vor gut dreizehn Jahren in Erfurt begann. Inmitten eines Geräteparks aus Samplern, Synthies und Sequenzern erschufen Kubat und Bohn quasi in Heimarbeit – „Small Chamber Works“ (2000) dann auch der Titel des Debüts – etwas, das die Welt eine Weile „Neopop“ nennen sollte: minimaler Techno, dem Rock entlehnte Riffs und melodiöser Gesang. Yello, Rammstein, Peaches ließen sich seitdem von Northern Lite remixen, Major-Companies kamen und gingen, beim Dance Music Award honorierte man 2005 das musikalische Grenzgängertum und würdigte Northern Lite als „Best Indie / Electronic Artist“. Sie coverten „Go With The Flow“ von den Queens Of The Stone Age und traten zusammen mit Chapeau Claque unter das Bühnenlicht des Eurovision Song Contests. Nach „Unisex“, „Super Black“ und „Letters & Signs – Part One“ ist dies nun das siebte Album.
Ganz Recht: Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Zwischendurch remixten Northern Lite noch „Wir warten (Ihr habt die Uhr, wir die Zeit)“ von den Fehlfarben. „Wir warten weniger“ erschien im Januar als Digital-Release – mal so ganz nebenbei. „Letters & Signs – Part Two“ weist nun den Weg zurück in den Club – und der verläuft verhältnismäßig geradlinig. Planen aber lässt er sich nicht. Klar ist: Er nimmt seinen Ausgang beim Streben nach unbedingter Perfektion – und führt von ihr weg. Es gibt keinen Leitstern, unterwegs blitzen die Stroboskope des musikalischen Experiments. Northern Lite folgen ihnen mit der Lässigkeit der geübten Weltenentdecker. Titel wie „Run“, „Home“ und „Let yourself go“ sind die Wegmarken der Reise. Die Reisegeschwindigkeit gibt die Bass Drum vor, der Bass brummt wie ein Diesel und unterwegs gibt es viele Geschichten zu erzählen – bis es dann irgendwann heißt: „We all must return to dust“. Auch „In Japan“, die erste Single-Auskopplung erzählt eine Geschichte: die von einer der ersten Reisen, die Northern Lite nach Tokio unternahmen. Nur soviel sei an dieser Stelle verraten: Der Mann, den sie dort trafen, hatte recht. „Empty out your mind“, sprach der und: „Put only the right things in again.“ Sie dürfen also Ihre Teezeremonie für einen Moment wieder aufnehmen und mal ganz in Ruhe darüber nachdenken. Und während Sie noch schlürfen, sitzen und denken, werden Sie feststellen:
Es ist alles so wie damals: ganz neu.