Mann, lässt der sich feiern. Klar. Is ja Northern Lite.
Ein Interview mit Andreas Kubat zwischen Teezeremonie und Lagerfeuer
07.07.2010 [db] Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Nachmittag im Frühjahr, als ich kreischend hinter einem großen Kerl mit kurzen, dunklen Haaren und Sonnenbrille hinterherrannte und schrie: „Herr Kubat! Ich will ein Interview mit Ihnen!“ Der hielt an und sah zu, wie ich japsend vor ihm zum stehen kam und meinte nur: „Kein Problem.“ Sehr fein. Jetzt war es endlich soweit. Ein Montagnachmittag im Juni, die Sonne scheint und wir marschieren ins Hauptquartier eines echten Elektrometeors. Wenn man in das Büro von Northern Lite kommt, fällt zunächst ein großer, alter Schreibtisch auf. Und Plakate, eine Menge Plakate. Dann geht man um die Ecke, versucht sich zu orientieren und rennt dabei fast Andreas Kubat über den Haufen. Wir sollen schon mal vorgehen, er kommt gleich nach. Also immer der Plakatwand nach. Im Großraumbüro lehnt ein großes Gemälde, von roter Farbe dominiert, könnte Mao sein. Ist es wahrscheinlich auch. Wir peilen eine herrlich abgesessene Sitzecke an, davor der Schreibtisch von Sebastian Bohn. Bevor er den Blick von seinem Laptop reißen kann, ist Andreas schon bei uns. Es kann losgehen.
Doreen Brand/ [a]live: Mit welchem Anspruch seid ihr vor 13 Jahren mit Northern Lite an den Start gegangen?
Andreas Kubat/ Northern Lite: Anfangs war es nur Spaß. Reiner Spaß. Damals haben wir überhaupt nicht drüber nachgedacht, was mal daraus wird. Das ging dann allerdings sehr schnell. Nach ein, zwei Jahren waren schon Ergebnisse und Reaktionen von Leuten da. Da haben wir uns dann schon Gedanken gemacht, was mal daraus wird. Das hat uns sehr überrascht. Man selbst sieht das nicht so. Man hat eher das Gefühl, es geht nicht vorwärts.
DB: Eure Konzerte hier sind ausverkauft.
AK: Das ist schön, das freut mich. [lacht] Super. Ich merk zwar, dass das Konzert voll ist, aber es ist mir nicht ständig bewusst.
DB: Im Vorfeld habe ich ein paar Fanfragen gesammelt und die hier passt grad wunderbar: „Interessant wäre es auch, was in Andreas vorgeht. wenn er auf der Bühne steht und alle warten, dass er endlich singt. Er lässt sich nämlich ganz schön feiern.“
AK: [lacht] Ja. Das ist auch ungefähr das Grundgefühl, das ich dabei hab: Mich feiern zu lassen. Ne, das gehört schon ein wenig zur Performance dazu. Es ist aber so, dass ich es auch noch genießen kann. Es ist echt.
DB: Also seid ihr keine Routiniers, die ein Konzert einfach runterspielen?
AK: Es kommt darauf an. In bestimmten Punkten wird man natürlich ein Routinier. Nach ein paar Alben und Touren gibt es Sachen, die von selber kommen. Aber eine gewisse Aufregung ist immer noch da, je nachdem was es für ein Gig ist.
DB: Dann steht ihr immer noch mit schweißnassen Händen hinter der Bühne.
AK: Da kann passieren, dass es einem noch mal schlecht wird. Das ist allerdings nicht mehr die Regel.
DB: Welches Gefühl ist es für euch persönlich, wenn ihr in Erfurt auftretet? Die Fanbase hier scheint enorm zu sein.
AK: In Erfurt – und da gibt es noch zwei, drei andere Städte wie Leipzig, Dresden und Berlin, da ist es ähnlich – da ist es schon immer etwas Besonderes. Die kennen teilweise die Texte von den ersten Alben, wo ich mich vor dem Gig nochmal hinsetzen und drüber gucken muss. [lacht]
DB: Ihr spielt zum einen auf Festivals, zum anderen in Clubs und Hallen. Wo fühlt ihr euch wohler?
AK: Wir mögen eigentlich den Wechsel, würd ich sagen. Der Wechsel ist cool. Es ist beides schön und ich möchte auf keines verzichten. Die großen Hallen kannst du dir auch nicht aussuchen. Wenn du so einen Stand hast und die vollkriegst, dann spielst du natürlich. Und dann vor so vielen Leuten zu stehen und die schreien zu hören… Man sieht sie dann aber auch nicht, wirklich nur ein paar Leute in der ersten Reihe und der Rest ist nur so eine Masse, die sich bewegt. Da hat der Club seine Vorteile, wenn man in den Gesichtern der Leute sieht, dass man auf dem richtigen Weg ist. Das sind zwei verschiedene Sachen: das eine ist der große Eindruck, der dann aber nicht ganz so persönlich ist und das andere ist die Nähe. Wenn man in den Clubs ist, sind die Leute manchmal nur einen Meter von uns weg. Man ist wirklich mittendrin. Das ist auch schön.
DB: Ihr habt ein paar Schwarze Festivals gespielt. Würdet ihr euch in der Schwarzen Szene einordnen oder seid ihr was ganz Besonderes?
AK: Uh, was ist denn das für eine Frage? Wir sind selbstverständlich etwas ganz Besonderes. Nee, also wir werden da gebucht. Und wir haben uns schon öfter gefragt warum. Wir finden das cool. Wir fühlen uns aber eigentlich nicht als Band aus der Szene.
DB: Eher als Exoten.
AK: Dort auf den Festivals auf jeden Fall. Ich denke, da werden wir auch so wahrgenommen. Wir werden vielleicht deshalb auch gebucht, weil wir was anderes sind.
DB: Wo fühlt ihr euch denn dann heimisch?
AK: Am ehesten in der elektronischen Klubmusik. Ich weiß eigentlich nicht genau, was Electro ist, das wollte ich mir schon immer mal erklären lassen. Für mich ist Electro auf jeden Fall Klubmusik, die nicht unbedingt etwas mit der Schwarzen Szene zu tun hat. Das ist für uns aber auch nicht das Maß aller Dinge. Es kann auch mal eine rotzige Gitarrennummer rauskommen, obwohl ich jetzt sagen muss, dass wir wieder auf Clubrichtung sind.
DB: Wie „entscheidet“ man als Musiker, welche Richtung man geht?
AK: Ich persönlich kann es kaum mehr aussuchen. Manchmal setze ich mich hin und sage: „Ich muss einen ganz harten Song machen.“ – und es wird dann eine Ballade. Als Musiker bist du Gefangener deiner Stimmung. Man kann es schon noch ein bisschen einschränken und der Sache eine Art Konzept geben, aber so richtig tief geht das nicht mehr. Man kann sagen, man nimmt andere Instrumente rein, aber der Song an sich wird nicht anders dadurch.
DB: Zeit für eine weitere Fanfrage. Könnt ihr euch als Electroband vorstellen, ein Akustikkonzert zu geben?
AK: Klar können wir uns das vorstellen. Wir sind ja alle Musiker. Der Sebastian spielt zwar kein Instrument, aber er ist DJ und hat ein Talent für Rhythmen. Wir könnten das auf jeden Fall machen. Wir haben ja auch schon ein kleines Akustikkonzert gegeben. Das ist auf einer Single vom „Super Black“ Album drauf, vier Tracks nur akustisch mit Gitarren und Gesang. Das funktioniert, weil die Songs die dahinter stehen zwar ein elektronisches Gewand haben, aber du kannst sie auch am Lagerfeuer spielen. Im Grunde sind sie ja auch an einer Gitarre entstanden, die Grundlinien.
DB: Das anstehende neue Album „Letters & Signs – Part Two“ soll wieder clublastiger werden, so der Pressetext. Habt ihr euch eigentlich jemals vom Clubsound verabschiedet?
AK: Eigentlich nicht. Das ist sehr subjektiv. Jeder macht es an etwas anderem fest, was clublastig ist und was nicht. Deswegen hat auch jeder eine andere Sicht darauf, wie deine Musik gerade ist. Manche sagen, wenn man den Ansatz einer Gitarre hört, dann hat das mit Club schon gar nichts mehr zu tun. Dann ist es Rock. Und andere haben wieder andere Kriterien, um das einzuschätzen.
DB: Wie seid ihr für Single „In Japan“ zu diesem sehr ruhigen Video gekommen?
AK: Ich denke, es liegt an der Atmosphäre des Songs, die ja doch sehr flächig und zurückgenommen ist, auch wenn die Beats vielleicht schnell sind. Es ist ein Song, der Ruhe und Statik ausstrahlt. Die Idee mit der Teezeremonie hat es vorgegeben. Du kannst da keinen Sekundenschnitt durchziehen, das funktioniert einfach nicht. Es geht bei der Zeremonie darum, etwas mit ganz viel Konzentration zu machen, das Tee zubereiten wie eine Meditation durchzuführen. Wirklich jeden Handgriff ganz genau zu machen im Einklang mit der Natur, was einen gewissen Respekt verlangt.
DB: Das Video hat eine sehr cleane Optik, kompatibel für MTV oder VIVA. Seid ihr mit diesem Anspruch rangegangen, dass es vielleicht mal auf Rotation geht?
AK: Nee, das wird auch wahrscheinlich nicht passieren. Wir sind gar nicht das Zielpublikum, die werden uns wahrscheinlich nicht spielen. Das ist aber etwas, was du erst hinterher siehst. Wenn du zu einem Drehort fährst und keine 100.000 Euro hast, um schon vorher alles klar zu machen und schon Bilder zu schießen vom Set, dann weißt du erst hinterher, wie das Video geworden ist. Und das war ein Glückstreffer. Die Frau Nakamoto lernt das seit 40 Jahren und macht nichts anderes als Tee. Es klingt profan, aber das ist es nicht. Das ist eine Wissenschaft. Sie muss jedes Jahr immer noch einen Monat nach Japan, um zu lernen.
DB: Noch eine Fanfrage: Was wollt ihr in eurem Leben noch erreichen?
AK: Also, ich würde gerne einmal in den USA spielen, das habe ich mir in den Kopf gesetzt. Und auf jeden Fall noch ein paar Alben machen. Ich hatte mir ursprünglich mal zehn vorgenommen, aber das wären dann nur noch drei. Ich erhöhe mal auf 15 Alben.
DB: Ist das ein Plan bis zur Rente oder kommt danach noch was?
AK: Rente ist ab 65, oder? Bis dahin kann keiner sagen, was noch passiert. Mir macht es jedenfalls noch Spaß. Für die nächsten fünf Alben habe ich auf jeden Fall noch Luft. [lacht]
Es war mir ein Fest. Jetzt gibt es erst einmal Album Nummer 7 „Letters & Signs Part Two“ (VÖ: 30. Juli 2010, Label: UNA Music). Ich konnte vorab schon mal rein hören und kann es echt nur empfehlen. Turn up the bass. Alle Infos zur Band und dem Albumrelease gibt es unter http://northernlite.de/. Das Video zur Single “In Japan” findet ihr hier.
Northern Lite sind:
Andreas Kubat – Vocal, Producer
Sebastian Bohn – Arranging, Co-Producer
Frithjof Rödel – Guitar
Valerian Herdam – Guitar, Vocals