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Nie war der Mond schöner

Joachim Witt und Leichtmatrose im HsD Erfurt

01.05.2014 [dg] Sechs Jahre sind eine lange Zeit. So viel Zeit ging ins Land, bevor sich Joachim Witt – der große alte Herr der deutschen Musikszene – wieder an eine Tour herantastete. Mit seinem vierzehnten Studioalbum „Neumond“ im Rücken und dem Leichtmatrosen an Bord, ist Witt dieser Tage auf Clubtour. Und die sollte man nicht verpasst haben. Mit Joachim Witt atmet Musikgeschichte auf der Bühne. Mit Witt hat man einen DER Vertreter der Neuen Deutschen Welle vor sich stehen, der auch im gesetzten Alter immer noch zu beeindrucken vermag und nicht zum alten Eisen gehört. Und so verwundert es doch sehr, dass nicht ein Vertreter der ach so aktuellen Tagespresse den Weg ins Haus der Dienste findet. Mit dem musikalischen Bodensatz von juchzenden Schlagersängern und Sängerinnen, verlagseigenen Veröffentlichungen von Polit-Biografien und dem dreißigsten Kommentar über Hunde in der Innenstadt füllt man scheinbar besser die Spalten im sterbenden Printmedium.

Das man an diesem Abend wirklich etwas verpassen konnte, wenn man kein Ticket für die Neumond-Tour gelöst hatte, wurde schon deutlich, als die Vorband auftrat. Leichtmatrose, eine Entdeckung Witts, wusste durch Charme und eingängige Melodien zu überzeugen. Im „wahren“ Leben heißt der Leichtmatrose Andreas Stitz und ist Bewährungshelfer. Auf der Bühne jedoch entfaltet er scheinbar sein echtes Talent und man ist hin- und hergerissen zwischen eingängigen Beats, NDW-lastigen Texten und lockeren Frotzeleien. Leichtmatrose macht Spaß und passt wunderbar zum Hauptakteur der „Neumond“-Tour, seinem Entdecker und Mentor, Joachim Witt. Dieser thront düster, melancholisch als Bühnenbild über dem Matrosen. Nach einer kurzen Umbaupause sollte der Neumond hell leuchten.

Joachim Witt weiß um die Dramaturgie von Gesten und Blicken, derart eindringlich beschwört er sein Publikum. Witt weiß um die Macht der Worte, sonst wäre sein vorhergehendes Studioalbum „Dom“ nicht so skandalös auf manches Ohr getroffen. Der Mann, der seinen Anfang als „Goldener Reiter“ der Neuen Deutschen Welle nahm, mit „Die Flut“ fulminant ins musikalische Leben des geeinten Deutschlands zurückkehrte und dessen aktueller Song „Mein Herz“ an einem menschlich wunden Punkt berührt, hat für einen Abend sein Erfurter Publikum im Bann. Und man darf hoffen, dass der ergraute Reiter wiederkehrt. Denn nach eigener Aussage wird Joachim Witt erst dann aufhören, wenn er im Sarg liegt. Der ewige Kämpfer. Der Grand Seigneur des Pop. Es war ein Abend, der sich wahrlich lohnte. Joachim Witt sollte man wenigstens einmal live erlebt haben.

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