[a]live: promotion » » Ulrich Wickert: Das achte Paradies

Ulrich Wickert: Das achte Paradies

Erfurter Herbstlese: Ulrich WickertErfurter Herbstlese

09.11.2010 [nm] Bis zum 31. August 2006, an dem Ulrich Wickert seine letzten Tagesthemen moderierte, hatte ich es mir immer in Familie pünktlich 22.15 Uhr auf dem heimischen Sofa und vor dem Fernsehapparat bequem gemacht. Allabendlich (wenn auch je nach Wochentag mit wechselnden Zeiten) folgte der Senderwillkommensgruß „Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit den Tagesthemen“. Danach wurden wir sogleich von dem dunkelblonden adretten Mann, der Zettel auf denen die neuesten Nachrichten geschrieben standen in den Händen hielt, mit den Worten „Guten Abend meine Damen und Herren“ persönlich begrüßt. Heute Abend, vier Jahre später, habe ich es mir Punkt 20.00 Uhr auf den samtweichen Sitzen des großen Saals des Erfurter Theaters bequem gemacht. Auch jetzt haben einige Familienmitglieder neben mir Platz genommen. Allerdings kann man nun, in Anwesenheit von insgesamt 800 Besuchern nicht so ganz von der vertrauten Wohnzimmeratmosphäre sprechen. Aber darum geht es ja auch nicht, denn bei der Erfurter Herbstlese will ich zusammen mit Gleichgesinnten guten Lesestoff genießen. Aber der Mann, der uns mit seiner wohlig-warmen Stimme und den Worten „Ich freue mich sie zu sehen – sie haben mich immer gesehen“ begrüßt lässt in mir gleich ein vertrautes Gefühl aufkommen. Einige Mädels neben mir scheinen ihn so gut zu kennen, dass sie begeistert „Ulli“ rufen, als sich eben jener am Lesepult einfindet. Der allen bekannte „Mr. Tagesthemen“, der mittlerweile zwar ergraut ist – aber lange nicht zum alten Eisen gehört, hat heute nicht die neuesten Nachrichten parat. Nein. Heute hält Ulrich Wickert neben einem kleinen Stichwortzettel seinen mittlerweile vierten Kriminalroman „Das achte Paradies“ in den Händen.

Ja, der Wickert, der der zweitwichtigsten Nachrichtensendung (die 20.00 Uhr Tagesschau ist immer noch die Nummer Eins im Ersten) des deutschen Nachrichtensenders ein Gesicht gab, hat das Sprechen einfach im Blut. Und so wird mir hier schnell klar, dass seine Lesung nicht nur wegen seines aktuellen Buches, sondern eben auch wegen seiner ganz speziellen Art den Wörtern Leben einzuhauchen ein Genuss ist. Denn heute Abend liest Wickert stolz, leidenschaftlich und mit einer gehörigen Portion Witz aus seinem mittlerweile vierten Krimi. Er hat es, wie er mit einem Schmunzeln berichtet, „einfach mal gemacht“. Doch noch bevor er die ersten Zeilen im Saal verbreitet sagt er: „Ich darf nicht verraten was passiert, dass ist ja schließlich ein Krimi.“ So schickt er seinen Helden, den Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou, nach einem Frühstück mit Zeitung, Kaffee und Croissant an die Côte d’Azur zu einem Freund. Doch bevor die Reise beginnen kann, verschwindet ein hochbezahltes Model spurlos. Steht ihr Abtauchen im Zusammenhang mit Recherchen bei der georgischen Mafia? Zur gleichen Zeit sinkt ein Boot vor Cannes. Als der Berater des französischen Präsidenten eine Erpressung versucht, um die Ermittlungen zu beenden, ist Ricous kriminalistischer Ehrgeiz geweckt.

Wenn Sie wissen wollen, welch spannende Geschichte Wickert sich diesmal ausgedacht hat, so sage ich mit den Worten Wickerts „Ach das müssen Sie selber lesen.“ Seine Geschichten haben durchaus Bezug zur Realität, weil es ja, wie der Autor selbst behauptet, „so unheimlich viel kriminelle Energie gibt“, sodass man sich gar nicht so viele Gedanken machen muss. Ich bin froh, dass Wickert nach seinem Jura- und Politikstudium in Bonn und den USA nicht wie geplant als Diplomat ins Leben ging, sondern (wie er heute ganz nebenbei erwähnt) „ganz zufällig“ Journalist wurde und das Polit-Magazin Monitor moderierte. Aber nicht nur sein Gespür fürs Weltgeschehen, auch die Liebe zum Schreiben scheint schon lange in dem heute 67-Jährigen zu schlummern. So erzählt er, dass sein erster Text über den Pariser Eifelturm schon auf der Kinderseite der Rhein-Neckar-Zeitung erschien. Aber seinem ersten Roman, den er wie er betont „Gott sei Dank schon zu Studienzeiten  vernichtet hat, damit ihn niemand Postum veröffentlichen kann“ hatte er schon kurz nach der Fertigstellung vernichtet. Danach versuchte er sich an einigen Sachbüchern, bevor er in Amerika seine Liebe zum Kriminalroman entdeckte. Ein paar Jahre später verliebte er sich auch in Frankreich.

Wickert dachte sich „wenn man so leicht einen Krimi schreiben kann, kann ich das auch“. Irrtum. Wie er in Erfurt ausführlich erklärt, war es auch für einen Vollblut-Journalisten der jahrelang auch als Auslandskorrespondent tätig war, eine Herausforderung sich einen Plot zu überlegen und sich Gedanken über Figuren und Handlung zu machen, die ein roter Faden zusammenhält. Warum er es trotzdem probiert hat, dafür nennt Wickert zwei Gründe: „Erstens – Ich kann kein Golf spielen. Zweitens – mir macht das einen irrsinnigen Spaß“. Und nicht nur Wickert hat Spaß an Kriminalromanen. Schon die Auszüge, die Wickert aus seinem neuen Werk vorlas ließen im Saal eine Stille aufkommen, in der man wohl selbst die so oft bekannte Nadel im Heuhaufen hätte hören können. Er las Zeile für Zeile abwechselnd mit lauter und leiser Stimme. Manchmal verharrte er ganz ruhig hinter seinem Leserpult, nur um im nächsten Moment wild gestikulierend den nächsten Absatz vorzutragen. All das führte dazu, dass auch ich nervös auf meinem Stuhl hin und her rutschte und an einigen Stellen förmlich die Luft anhielt. Dies lässt, wie ich finde, ein spannendes Buch erahnen, das im Bücherregal so manches Krimiliebhabers schnell einen Platz finden sollte.

zur Galerie


Setze doch einen Trackback auf deine Seite.


Benutzerdefinierte Suche